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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee
Autoren: Wendy Wunder
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Das Meer sah auf einmal bedrohlich aus.
    »War nur Spaß. Es gibt keine Haie in Maine.«
    »Ehrlich nicht?«
    »Nein. Das heißt … Was ist das?« Er zeigte auf eine Stelle neben Cams Bein.
    »Asher, hör schon auf, verflucht!« Ihr kamen fast die Tränen. Es ging ihr nicht gut, sie war emotional aufgewühlt, weil sie die Liste für Lily komplettieren wollte, und sie mochte wirklich keine Haie.
    »Es tut mir leid, Cam. Ehrlich. Ich dachte nicht, dass du solche Angst kriegen würdest. Komm her.« Er nahm sie direkt auf dem Wasser in die Arme. Ihre Surfboards stießen gegeneinander, während sie auf den Wellen schaukelten und sich bemühten, nicht umzukippen.
    »Okay, jetzt leg dich auf dein Brett. Ich schiebe dich im richtigen Augenblick in eine Welle hinein, und dann brauchst du nur noch aufzustehen.«
    »Nur aufstehen, ja? Wenn es so einfach wäre, würden hier ja wohl noch mehr Leute surfen.« Cam blickte zum Strandstreifen. Sie waren die einzigen Menschen weit und breit. Das Städtchen links wirkte klein und verlassen, wie eine von diesen Miniaturstädten aus Keramik, die manche Leute unter ihrem Weihnachtsbaum aufbauen.
    »Du schaffst das«, sagte er. »Allez hopp!«
    Cam legte sich flach auf ihr Board, während Asher es von hinten ruhig hielt. Dann steuerte er sie in eine heranrollende Welle, kurz bevor diese sich überschlug und brach. Cam stützte sich in einer fließenden Bewegung mit den Händen ab und ging in die Hocke, wie sie es im Fernsehen gesehen hatte, und dann … stand sie. Sie stand auf dem Wasser. Herrscherin des Universums. Sie fühlte den Ozean unter sich wogen und grollen. Es war unheimlich aufregend! Wer würde das nicht erleben wollen?
    Sie schaffte es ganz bis zum Ufer. Ein kleines Surfwunder von Anfängerglück. Asher jubelte mit erhobenen Armen auf seinem Brett. Er fand eine Welle, stellte sich auf sein Board und wedelte so elegant darauf herum, wie sie es erwartet hatte. Zurück am Strand, forderte er sie auf, für einen zweiten Versuch hinauszurudern, doch so sehr ihr das Wellenreiten gefallen hatte, war sie nun doch erschöpft. Sie hatte immer noch Fieber, das nur mit Advil im Zaum gehalten wurde. Schon sich in diesen Neoprenanzug zu zwängen hatte sie ermüdet.
    »Mach du nur«, sagte sie. »Ich sehe dir ein bisschen zu.«
    Am Strand schälte sie sich aus dem Anzug, zog ihr wärmendes Fleecehoodie und die rosa Ugg-Boots ihrer Schwester an und setzte sich ans Feuer. Sie holte das Notizbuch von Izanagi heraus und faltete Lilys Liste auseinander, um Surfen gehen abzuhaken. Anschließend blätterte sie durch das Büchlein. Irgendwann hatte sie begonnen, die Erkenntnisse aufzuschreiben, zu denen der Aufenthalt hier in Promise sie offenbar angeregt hatte.
    Gedanken sind Energie, Energie ist Materie, und Materie geht nicht verloren.
    Achte auf den Zufall.
    Du kannst deine Identität selbst bestimmen.
    Und die neueste Erkenntnis: Nur der Augenblick zählt.
    Sie konzentrierte sich auf den Augenblick und sah zu, wie Asher mit der hingebungsvollen Freude eines Kindes surfte. Das Surfen brachte es mit sich, dass einem gar nichts anderes übrig blieb, als im Augenblick zu leben. Man musste achtsam sein. Vielleicht war das der Grund, weshalb viele Surfer eine spirituelle Sache daraus machten. Cam war froh, dass Lily es auf ihre Liste gesetzt hatte.

F ÜNFUNDDREISSIG
    Zuhause duschten sie erst einmal heiß. Cam warf noch ein paar Advil ein, und sie ruhten sich ein bisschen aus, bevor sie Ashers Pläne für den Abend in Angriff nahmen. Er sagte, er kenne eine besonders kleine Bucht, die perfekt geeignet für »nächtliches Schwimmen« sei, was seine Umschreibung für Nacktbaden war.
    »Oh, wir müssen unbedingt den Song Night swimming dazu hören«, sagte Cam.
    »Aber klar«, antwortete Asher. Sie würden nach Sonnenuntergang mit dem Boot dorthin fahren.
    Der Rest der Familie spielte Boccia auf dem Rasen: Perry und Izanagi gegen Nana und Alicia. Cam setzte sich an den Gartentisch und beobachtete sie ein Weilchen. Sie feuerte das Team der alten Damen an, was die beiden jedoch gar nicht nötig hatten, denn sie waren Kämpferinnen und behaupteten sich bestens. Asher hockte sich zu ihr.
    Cam sah zum Strand hinüber. Die violetten und orangefarbenen Streifen hinter dem Leuchtturm schienen dort wieder eine Ewigkeit zu hängen, ehe sie der Dunkelheit wichen.
    »Können wir jetzt los?«, fragte sie, nachdem Asher als Schiedsrichter für ein knappes Ergebnis auf dem Bocciaplatz fungiert hatte. Sie hatte es
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