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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee
Autoren: Wendy Wunder
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Totempfahl und … oh, sieh mal, ein paar sechzigjährigen Damen in Blumenkleidern.« Alicia hatte auch alle Teilnehmerinnen ihres Hulakurses eingeladen.
    »Ja, sie haben eine kleine Vorführung geplant, total süß.«
    »Total.« Cam sah zu, wie sie auf dem Rasen übten und sich mit den kleinen, vorsichtigen Schritten alter Frauen drehten, als hätten sie Angst, sich die Hüfte zu brechen.
    »Also, wie stellst du dir deine wirklich vor?« Alicia nahm eine Haarbürste aus Cams Koffer und fing an, Cams mittlerweile schulterlangen Haare zu bürsten.
    »Äh, gar nicht.«
    »Überhaupt nicht?«
    »Nee.« Das stimmte. Cam hatte noch nie einen Gedanken an ihre Hochzeit verschwendet. Auch schon vor ihrer Diagnose hatte sie von anderen Dingen geträumt. Davon, einen Film zu drehen, zum Beispiel. Einen Oscar zu gewinnen. Ein Buch zu schreiben. Nach Ägypten zu reisen. Eine Heirat spielte keine Rolle bei ihrer Lebensplanung.
    »Auch nicht jetzt, da du Asher getroffen hast?«
    »Nein.«
    »Na, das hat wohl auch sein Gutes.« Alicia strich mit der Bürste über Cams Hinterkopf. »Ich glaube, manche Mädchen steigern sich so in Phantasien über ihre Hochzeit hinein, dass sie das Eigentliche, die Ehe, darüber vergessen und auf einmal feststellen, dass sie mit dem Falschen den Bund fürs Leben eingegangen sind. Es ist nicht die Hochzeit, auf die es ankommt.«
    Cam sah durchs Fenster, wie Asher vergnügt Klappstühle aufstellte und hellgelbe Damasttischdecken über die Tische breitete. Er wäre der Richtige , dachte sie.
    »Bist du glücklich?«, fragte sie Alicia.
    »Ja, Campbell, sehr. Du hattest Recht. Das ist es, was ich gebraucht habe. Ich danke dir. Diesmal sorge ich dafür, dass es hält«, antwortete sie, als sie mit dem Bürsten fertig war. Sie drehte Cam zu sich herum, damit sie ihr in die Augen sehen konnte.
    Cam war auch glücklich.
    »Man kann nicht mehr als sein Bestes geben, und dein Bestes ist immer besser als das von anderen. Du bist eine großartige Mutter«, sagte Cam. Plötzlich vermisste sie ihre Mom schmerzlich, obwohl sie direkt vor ihr stand.
    »Hallo, ein Traum wird wahr«, sagte Alicia und küsste sie auf die Stirn.
    »Jetzt ist es Zeit, dass mein Traum wahr wird. Jede Tochter träumt davon, ihre Mutter zum Altar zu führen.«
    »Ist dir das peinlich?«
    »Schon, aber ich werd’s überstehen. Ich muss den Tatsachen ins Gesicht sehen.« Cam seufzte. »Schließlich bist du nicht mehr mein kleines Mädchen.«
    Perry die Musikauswahl anzuvertrauen war vielleicht eine Fehlentscheidung gewesen. Ihre Mom, flankiert von Cam in Cranberryrot und Perry in Gelb, schritt zu Katy Perry zum Altar. Sie sah wunderschön aus in ihrem schlichten, cremefarbenen Kleid mit Lochstickerei. In ihre Haare waren Veilchen geflochten, und sie hielt einen Strauß aus gelben und cranberryfarbenen Orchideen in den Händen. Izanagi trug ein kurzärmeliges, braunes Hemd zu einer Leinenhose und Sandalen. Er sah auf einmal viel besser aus, fand Cam. Groß und breitschultrig stand er da, mit muskulöser Brust, makellosem, hellbraunem Teint und lächelnden Augen, die schimmerten, wenn sie sich auf ihre Mutter richteten. Asher stand neben ihm vorm Altar und zwinkerte Cam beruhigend zu.
    Alicia und Izanagi lächelten sich an, und Cam gestattete sich eine kleine Tagträumerei über ihre gemeinsame Zukunft. Verschiedene Momentaufnahmen schossen ihr durch den Kopf. Die beiden, wie sie Perry zu ihrem College fuhren. Wie sie die echte, richtige Welt bereisten, nicht die Phantasiewelt von Disney. Sie sah sie mit Ziegenhirten in Nepal durch den Himalaja wandern. Sie sah sie auf der chinesischen Mauer posieren. Mit zwei enorm großen Bierkrügen in Deutschland anstoßen. Im Fotoalbum ihres Kopfes sah sie, wie sie allmählich glücklich zusammen alt wurden.
    Dann versuchte sie, sich selbst in ihr Leben einzufügen. Sie konzentrierte sich und bot ihre ganze Willenskraft auf, um ein Bild von sich mit einundzwanzig neben ihnen auf dem Sofa an Weihnachten zu sehen. Sie versuchte, sich Izanagi bei ihrer Abschlussfeier in Harvard vorzustellen, unbehaglich in einem Anzug. Und wie ihre Mutter zärtlich ihr erstes Enkelkind betrachtete und seine Finger und Zehen zählte. Die Ideen kamen ihr in den Kopf, aber die Bilder dazu stellten sich nicht ein. Der Film war leer.
    Also konzentrierte sie sich wieder auf die Gegenwart, den jetzigen Augenblick. Der Augenblick war alles, was zählte, rief sie sich in Erinnerung, und was in diesem Augenblick geschah, war
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