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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm
Autoren: Mirinda Jarrett
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    „Er hat dir ... Was hat er dir gesagt?“ Demaris versuchte angestrengt, den jungen Matrosen genauer zu erkennen, der neben ihr hockte. Sie wünschte, er hätte nur zwei statt vier Augen, und diese sollten sich außerdem auch nicht immerzu in seinem Gesicht herumbewegen.
    Vorsichtig betastete sie die riesige Beule an ihrem Kopf, dort, wo sie gegen den Querbalken gestoßen war, sowie den gewaltigen Bluterguss unter der Platzwunde an ihrem Auge. Kein Wunder, dass sie sich fühlte, als wäre ihr ein Ochse auf den Kopf getreten.
    Mitfühlend reichte ihr der junge Mann den Krug mit dem übrig gebliebenen Wasser hin, doch sie schüttelte den Kopf, stöhnte bei dieser Bewegung dann gleich auf und schloss die Augen wieder.
    Wenn es in diesem winzigen Vorratsraum doch wenigstens ein bisschen frische Luft gäbe, und wenn es hier nur nicht so fürchterlich nach kaltem, gebratenem Kabeljau stinken würde! Allein der Gedanke, irgendetwas in ihren Magen hineinzubringen, verursachte ihr schon Übelkeit.
    Sie schluckte und drückte sich die Hände auf den Bauch. Zumindest hatte sie bei ihrem Sturz nicht ihr Kind verloren - Gott sei Dank.
    „Käpt’n Sparhawk hat gesagt, Ihr solltet Euch von allem fernhalten, bis sich die Schaluppe wieder in seinem Besitz befindet“, antwortete Tom langsam und deutlich. „Und dass er selbst käme, um Euch zu holen.“
    Ziemlich wackelig setzte sich Demaris auf und hielt sich an der schmutzigen Matratze fest, bis sich das Gesicht des jungen Mannes vor ihr nicht mehr so drehte. Sie überlegte, ob sie ihm überhaupt zuhören sollte. Vielleicht war sein Be-such bei ihr ja nur eine neue List von ihrem Schwager. Allerdings klang die Botschaft sehr nach Jonathan beziehungsweise nach dem überheblichen Kapitän Sparhawk.
    „Ich soll hier also still und tatenlos herumhocken, bis dein Kapitän zu meiner Rettung erscheint. So lautet sein Befehl an mich, ja?“
    Tom nickte ernst.
    „Zum Teufel mit Kapitän Sparhawks Befehlen! “, erklärte sie empört und begriff sogleich, weshalb die Männer ständig fluchten. Es konnte tatsächlich überaus befriedigend sein. „Ich werde hier nicht müßig herumsitzen, während er sein Leben für meines aufs Spiel setzt. Nach dem, was du mir berichtet hast, verlässt sich Jona ... ich meine, Kapitän Sparhawk zu sehr auf Grahams gesunden Schlaf. Was, wenn der Kerl nun aufwacht und Alarm schlägt? Nein, ich halte es für ratsamer, den Mann abzulenken.“
    „Laut Kapitänsbefehl sollt Ihr hierbleiben, Madam.“ Demaris bedachte Tom mit dem gleichen strafenden Blick, den sie sonst nur für Daniel Reed aufhob. „Hat dein Kapitän Sparhawk dir auch erzählt, dass er mich gebeten hat, seine Ehegattin zu werden? Wenn ich ihn heirate, werde ich deine Herrin sein, und du wirst mich doch sicherlich nicht schon jetzt erzürnen wollen, oder?“
    Zwar wusste Demaris nicht ganz sicher, ob sie als Gemahlin des Kapitäns an Bord überhaupt irgendeine Position haben würde, doch Jonathan wäre dann ja auch der Herr von Nantasket, und da war es nur folgerichtig genug, dass sie sich als Herrin bezeichnete. Zumindest beeindruckte das den armen Tom, der jetzt den Kopf hängen ließ, sodass sein ungebräunter und ungewaschener Nacken blass über dem Halstuch zu sehen war.
    „Und jetzt sage mir die Wahrheit, Tom Cooke.“ Sie hob den Kopf so hoch es ihr möglich war. „Wie schlimm sehe ich wirklich aus?“
    Der bekümmerte Gesichtsausdruck des Matrosen war ihr Antwort genug. „Dann muss ich eben darauf setzen, dass Kapitän Grahams Verlangen nach mir stärker ist als sein Sehvermögen. “
    Sie seufzte tief und tastete wieder über die geschwollene Wange. „Und nun höre mir gut zu, Tom Cooke. Bevor du deinen Kapitän und die anderen befreist, musst du zu mir kommen und mich zu Kapitän Grahams Kajüte führen.“
    Sie lächelte ein wenig schief, als sie sich vorstellte, was Jonathan wohl sagen würde, wenn er wüsste, was sie plante. Nur hatte sie noch nie in ihrem ganzen Leben die Hände in den Schoß gelegt, während andere arbeiteten, und damit wollte sie gerade heute Nacht auch nicht anfangen, zumal doch so ungeheuer viel auf dem Spiel stand.
    „Und beachte, Tom Cooke“, fügte sie streng hinzu, „kein einziges Wort, nicht einmal die kleinste Andeutung hierüber zu Kapitän Sparhawk! “
    „Hol dich der Teufel - mich zu stören, du Sohn einer verlausten Hündin! “, brüllte Graham drinnen in der Kajüte, nachdem Demaris draußen bescheiden an die Tür geklopft hatte.
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