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Firkin 05 - Fahrenheit 666

Firkin 05 - Fahrenheit 666

Titel: Firkin 05 - Fahrenheit 666
Autoren: Andrew Harman
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komplizierten Anordnung von Flaschenzügen und Seilen vom Dachboden der Druckerei aus angehoben oder gesenkt werden konnte, was eine wesentliche Erweiterung der Lagerkapazität bedeutete. Für Alea hingegen handelte es sich bei diesem Brett um eine zwischen den Wolken und der Krokodilsgrube wogende Landmasse, die nur unter Einsatz größten Wagemuts und eines Seils zugänglich war. Kein noch so verwegener Held flog so gut wie Alea, einerlei, wie häufig man unsere Heldin schon von geeigneten Kronleuchtern verscheucht hatte. Während sie mit dem ›Dolch‹ zwischen den Zähnen auf dem Sparren hockte und das Seil beäugte, das fast unbeweglich zwei Meter vor ihr hing, wußte Alea, daß es sich hierbei um ein echtes Abenteuer handelte.
    Sie hatte das schon viele hundert Male getan, und nachdem sie sich die Knie häufiger aufgeschürft hatte, als sie es jemals zugeben würde, wußte sie, daß das ganze Geheimnis, schadlos die klaffende Lücke zu überqueren, im Schwung lag. Hoch anvisieren, voll Schwung holen, und es gab kein Problem. Setzte man zu tief und zu schwach an, wurde man vom Feind gefunden, während man hilflos über der Krokodilsgrube hin und her baumelte und am Seil immer tiefer rutschte.
    Alea wußte auch, daß das Böse überall lauerte und längst fleischliche Gestalt angenommen hatte, namentlich in der Form von jedem Wesen, das älter als zehn Jahre war oder zu ihr sagte: ›Hör endlich auf damit, du Nervensäge, und geh sofort ins Bett!‹ Erst wenige Minuten zuvor wäre sie fast überrascht worden, als sie an einem anderen Seil hinaufgeklettert war und ihr Vater völlig unerwartet den Kopf durch die Tür gesteckt hatte, um durch die aschenbecherdicken Brillengläser hindurch den Dachboden nach ihr abzusuchen. Nur unbeschreibliches Glück und ihre Fähigkeit, völlig reglos zu verharren, hatten sie vor der tödlichen Gefahr bewahrt, vorzeitig ins Bett gehen zu müssen. Glück gehabt!
    Doch jetzt, nur wenige Augenblicke später, war sie alles andere als reglos. Mit jeder Faser ihres kleinen Körpers hatte sie sich auf den gewaltigen Satz vorbereitet, mit dem sie nun auf das Seil zuhechtete. Wild mit den Armen in der Luft rudernd, bekam sie den Hanf schließlich fest zu fassen, bis sie direkt über der Krokodilsgrube schwang und die Katastrophe ihren unvermeidlichen Lauf nahm: Das ›Himmelsland‹-Seil gab plötzlich mit einem armverrenkenden Ruck nach, gleichzeitig verriet ein nichts Gutes verheißender Klang, daß einige Tuschfarbentöpfe gegen das Dach geschleudert wurden. Sabotage! Jemand hatte absichtlich die Seilscheibe nicht blockiert. Welche Katastrophe! Den Schatz konnte sie wieder einmal vergessen.
    Zwischen der scheinbar endlosen Kakophonie zerscheppernder Töpfe, verspritzender Tusche und den Wutausbrüchen ihres Vaters herrschte nur wenige Sekunden absolute Stille. Wütende Schritte stampften auf die Tür zu, und Flüche waren zu hören, vermengt mit Drohungen wie »Alea! Selbst wenn alles nur halb so schlimm ist, wie es sich angehört hat, dann bist du dran! Wie oft hab dir schon gesagt, du sollst nicht in meiner Werkstatt spielen, hä?«
    Mit einem Würgen im Hals schielte sie aufgeregt auf die sich immer weiter ausbreitende bunte Pfütze und versuchte kurz abzuwägen, ob das von ihr frisch angerichtete Malheur noch mehr Schaden als ihr ›Mißgeschick‹ vom letzten Monat angerichtet hatte, als es ihr binnen weniger Sekunden höchst erfolgreich gelungen war, ihrem Vater acht Tage Arbeit zu versauen. Bei dem Gedanken an die Steinplatte, in die ihr Vater mit viel Liebe den Text geschnitten hatte und die erst vom Regal gepurzelt und dann gegen das Kettenhemd geprallt war, wurde ihr noch heute speiübel. Dennoch behauptete sie immer noch, daß die Platte nicht so ungesichert auf dem Regal hätte liegen dürfen. Dann fiel ihr wieder das Gesicht ihres Vaters ein und wie es hatte gelingen können, vor Wut eine solch erstaunliche Bandbreite verschiedener Rotschattierungen zu produzieren. Sie nahm die Pfütze unten noch einmal genauer in Augenschein und kam zu dem Schluß, daß alles im Grunde nur halb so schlimm sei. Hoffnung machte sich breit. Letzten Monat war sie noch verurteilt worden, drei Wochen lang Papas Hand zu halten und einen Rock zu tragen. Die reinste Hölle!
    Die Tür sprang auf, und die vor Wut explodierende Silhouette ihres Vaters tauchte darin auf. Alea baumelte mit inzwischen blau und rot angelaufenen Händen hilflos über einem sich in Regenbogenfarben ausdehnenden Meer und
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