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Firkin 05 - Fahrenheit 666

Firkin 05 - Fahrenheit 666

Titel: Firkin 05 - Fahrenheit 666
Autoren: Andrew Harman
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versuchte, die niedlichste und herzergreifendste Unschuldsmiene aller Zeiten aufzusetzen, was ihr allerdings mit dem Dolch zwischen den Zähnen nur leidlich gelang.
    »Was hast du da schon wieder angerichtet?« schrie Gravur, wobei ihm die Haare vor Schreck zu Berge standen.
    Alea spuckte den Dolch aus. »Ähm … ich bin nur etwas abgerutscht«, murmelte sie verlegen, während ihre Nasenspitze rot anlief.
    »Abgerutscht?« wiederholte Gravur, während er wie ein wild gewordener Papagei von einem Bein aufs andere hüpfte. »Ist das alles, was du zu deiner Entschuldigung zu sagen hast?«
    »Ähm … na gut, ich gebe auf«, räumte sie kleinlaut ein und hätte kommentierend mit den Achseln gezuckt, wenn sie sich nicht verzweifelt am Seil hätte festhalten müssen. Außerdem kreisten ihre Gedanken nur noch darum, wie sie das ihr drohende Strafmaß wenigsten auf Tod durch Erhängen verringern könnte. Verweigerung der Aussage – nein, überall lagen zu viele offensichtliche Beweise verstreut, so daß ein solches Vorgehen gegen sie ausgelegt werden könnte. Mildernde Umstände – dafür plädieren, daß nichts passiert wäre, wenn das Seil vorschriftsmäßig gesichert worden wäre; ohne einen sehr guten Verteidiger und ein äußerst betörendes Lächeln allerdings ein sehr gewagtes Unterfangen. Dann kam ihr die Erleuchtung – die positive Variante. Welchen mögliche Nutzen könnte ein sich ausbreitender See bunter Tusche auf die gesamte Druckindustrie haben?
    Alea räusperte sich, rutschte ein Stückchen am Seil hinunter und plapperte in Windeseile los. »Das hat doch auch was Gutes. Wenn du mir ein Blatt Pergament gibst, die Farbe kannst du dir nach Belieben aussuchen, dann zeige ich dir, wie man ruckzuck mit den Füßen malen kann, und du wirst schon sehen, die Bilder werden bestimmt ganz toll und allen Leuten unheimlich gut gefallen, und du kannst sie dann selbst oder auch an Kunstgewerbeläden verkaufen und eine Menge Geld damit machen …« Ihr Wortschwall versiegte allmählich, und sie kam zu der Überzeugung, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Demonstration ihres künstlerischen Schaffens womöglich nicht sehr gefragt war. »Ähm, wie wäre es, einfach alles trocknen zu lassen? Der Fußboden sieht doch so viel schöner aus.«
    »Wie wäre es, wenn ich den Mist wegmache?« fauchte ihr Vater.
    »Ach, tätest du das wirklich? Das ist aber nett von dir.« Alea lächelte unbeholfen und fragte sich, ob sie das Richtige gesagt hatte.
    Als ihr wenige Minuten später der dritte Eimer mit eiskaltem Wasser über den Kopf geschüttet wurde, während sie in der Badewanne saß und einer dreiwöchigen Strafe entgegensah, die ohne Abendessen pünktlich ins Bett gehen enthielt – und das ohne Berufungsverfahren oder Bewährung –, wurde ihr klar, daß eine andere Wortwahl möglicherweise angebrachter gewesen wäre.
     
    Flagit war in Fruchtfliegen geradezu vernarrt. Nichts nahm er lieber in Besitz. Sie waren so wunderbar einfach und unwiderstehlich hinterhältig und verursachten bei ihm immer einen ganz besonderen Nervenkitzel, erst recht nach einem aufreibenden Tag im Reisebüro der Gesellschaft für Transzendentalreisen mbH.
    In der engen Kabine, über dreihundert Meter unter dem Talpa Gebirge, legte er ein genüßliches, von viel zu vielen Zähnen geprägtes Grinsen auf. Ein winziger Teil seines Verstandes schwirrte oben in der Fruchtfliege herum, und seine geistigen Projektionen zielten auf den Punkt genau durch die maschendrahtähnliche große Kuppel über ihn hindurch. Für die Obstfliege war er lediglich ein unentdeckter mentaler Passagier, der jede Bewegung und Empfindung des Insekts wahrnahm; ein zerebraler Voyeur sozusagen.
    In diesem Augenblick steckten überall im Unterweltkönigreich von Helian unzählige anderer Dämonen und Teufel in ähnlichen Kabinen. Jeder einzelne von ihnen lebte mittels eines fremden Körpers seine ureigensten Phantasien aus, den er in Besitz genommen hatte; gegen eine wöchentlich zu entrichtende Gebühr versteht sich. Selbst der einfachste Hilfsarbeiter von den Schiffswerften am Phlegethon konnte daran teilnehmen und für eine Woche oder auch einen ganzen Monat lang ein Prinzregent, eine Nymphomanin oder sonstwas sein. Dazu brauchte man lediglich genug Obolen, um den Fahrpreis zu bezahlen.
    Und natürlich eine Fahrkarte.
    Diese war dringend erforderlich. Kein Fahrkarte, keine Inbesitznahme. So lauteten nun einmal die Bestimmungen, da dies die einzige Möglichkeit war, alles unter
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