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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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dahinter verbarg.
    »Sie können den Papierkram und die Bezahlung bei unserer Sekretärin erledigen. Ich muss gleich zu einem Termin.«
    Fast lächelte er. »Selbstverständlich.« Er stand auf. Ich stand auf. Keiner von uns streckte die Hand aus. An der Tür zögerte er. Ich blieb ebenfalls stehen, aber ein gutes Stück von ihm entfernt. Man sollte sich immer Raum zum Manövrieren lassen.
    »Wann können Sie es machen?«
    »Diese Woche bin ich ausgebucht. Vielleicht kann ich Sie nächsten Mittwoch einschieben. Oder nächsten Donnerstag.«
    »Was ist Montag und Dienstag?«, fragte er.
    Ich zuckte die Achseln. »Schon belegt.«
    »Sie sagten wörtlich: ›Diese Woche bin ich ausgebucht.‹ Dann sprachen Sie von nächstem Mittwoch.«
    Früher konnte ich schon nicht gut lügen, und auch heute war ich nicht wesentlich besser darin, wenn auch aus anderen Gründen. Ich merkte, wie mein Blick leer wurde. »Ich wollte eigentlich sagen, dass ich in den nächsten beiden Wochen so gut wie ausgebucht bin.«
    Er blickte mich so durchdringend an, dass ich am liebsten ausweichen wollte, aber ich hielt stand und bedachte ihn mit einem nichtssagenden, unbestimmt freundlichen Blick.
    »Nächsten Dienstag ist Vollmond«, sagte er ruhig.
    Ich sah ihn mit großen Augen an und hatte Mühe, meine Überraschung zu verbergen. Mein Gesicht blieb unbewegt, aber meine Körpersprache verriet mich. Die meisten Leute achten lediglich aufs Gesicht; Harlan gehörte zu den Übrigen. Mist.
    »Es ist also Vollmond, wie schön. Na und?« Ich klang so nüchtern, wie ich eben konnte.
    Er ließ dieses kleine Lächeln sehen. »Bescheidenheit wirkt bei Ihnen unglaubwürdig, Ms Blake.«
    »Richtig, und da ich nicht bescheiden bin, ist das kein Problem.«
    »Ms Blake, bitte«, erwiderte er schmeichelnd, »beleidigen sie nicht meine Intelligenz.«
    Aber es ist so leicht, wollte ich sagen, tat es jedoch nicht. Erstens war das nicht wahr, zweitens machte es mich ein bisschen nervös, welche Richtung das Gespräch nahm. Aber ich hatte nicht vor, freiwillig etwas preiszugeben. Je weniger man sagt, desto mehr ärgert es die Leute.
    »Ich habe Ihre Intelligenz nicht beleidigt.«
    Sein Stirnrunzeln erschien mir so echt wie das kleine Lächeln. Der wahre Harlan lugte hervor. »Den Gerüchten nach arbeiten Sie seit ein paar Monaten in der Vollmondnacht nicht mehr.« Er wirkte mit einem Mal sehr ernst, nicht auf bedrohliche Weise, sondern als wäre ich unhöflich gewesen oder hätte meine Tischmanieren vergessen und er hätte mich zurechtweisen müssen.
    »Vielleicht bin ich eine Wicca. Der Tag des Vollmonds ist für sie heilig, wissen Sie.«
    »Sind Sie eine Wicca, Ms Blake?«
    Es dauerte nie lange, bis ich solches Drumherumgerede leid wurde. »Nein, Mr Harlan, bin ich nicht.«
    »Warum arbeiten Sie dann nicht in der Vollmondnacht?« Er musterte mein Gesicht, forschte darin, als wäre die Antwort überaus wichtig.
    Mir war klar, was er von mir hören wollte. Ich sollte zugeben, ein Gestaltwandler zu sein. Leider konnte ich das nicht zugeben, weil ich keiner war. Ich war die erste menschliche Nimir-Ra der Geschichte, die Königin eines Werleopardenrudels. Ich hatte das Rudel geerbt, nachdem ich den vorigen Anführer hatte töten müssen, weil er sonst mich getötet hätte. Außerdem war ich Bölverkr des örtlichen Werwolfrudels. Der Bölverkr war mehr als ein Leibwächter und weniger als ein Henker, im Grunde jemand, der alles tat, was der Ulfric nicht tun durfte oder wollte. Der Ulfric war Richard Zeeman. Ein paar Jahre lang war er abwechselnd mein Liebster und mein Ex gewesen. Im Augenblick war er mein Ex. Mehr denn je. Sein Trennungssatz war gewesen: Ich will keine lieben, die sich bei den Monstern wohler fühlt als ich. Was soll man darauf erwidern? Was könnte man sagen? Ich hab nicht die geringste Ahnung. Es heißt bekanntlich, die Liebe überwindet alles. Aber das ist gelogen.
    Als Nimir-Ra und Bölverkr trug ich große Verantwortung; viele Leute waren von mir abhängig. Darum nahm ich den Vollmondabend frei. Es war wirklich einfach und nichts, das ich mit Leo Harlan besprechen wollte.
    »Manchmal nehme ich mir einen freien Tag, Mr Harlan. Wenn meine freien Tage mit dem Vollmond zusammenfallen, so ist das Zufall, das versichere ich Ihnen.«
    »Den Gerüchten nach wurden Sie vor einigen Monaten von einem Gestaltwandler verwundet und sind jetzt selbst einer.« Er sagte das nach wie vor gleichmütig, aber ich hatte es erwartet. Mein Gesicht, meine Körpersprache,
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