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Finsteres Gold

Finsteres Gold

Titel: Finsteres Gold
Autoren: Carrie Jones
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Ich weiche zurück. Meine Finger ballen sich zu Fäusten, um sich zu schützen.
    »Mmrph … Mrr …« Seine Stimme klingt verzweifelt und passt zu dem Ausdruck in seinen grünen Augen. Irgendwie weiß ich, was er von mir will.
    Ich strecke die Hand aus und greife nach oben: »Das könnte wehtun.«
    Ich fühle mich schlecht bei dem Gedanken, das Klebeband abzureißen, aber ich mache es. Ich schiebe einen Fingernagel unter eine Ecke und reiße daran. Mit lautem Ratsch geht es in einem klebrigen Stück ab.
    »Zieh deine Handschuhe an und binde mich los.« Seine Stimme ist leise, und er spricht mit einem leichten Akzent, den ich nicht erkenne. Fast irisch, dann aber auch wieder nicht. »Bitte. Sie kommt …«
    »Waren es Elfen? Haben sie dir das angetan? Ich habe den Staub gesehen. Oder bist du der Elf? Ich muss es wissen.« Ich spüre, wie sich mein Gewissen regt. Ich weiß, dass sie böse sind, aber wenn jemand so schwer verwundet ist … Wenn er überhaupt einer ist … okay, wahrscheinlich ist er einer, aber das macht nichts. »Ich muss wissen, ob du noch in Gefahr bist.«
    Jedes Wort, das er sagt, scheint ihn unglaubliche Mühe zu kosten. Seine Lippen bewegen sich nur ganz langsam. »Was? Sie ist … Ich will noch nicht sterben.«
    »Du wirst nicht sterben.« Ich hebe meine Handschuhe auf und ziehe sie wieder an. Er ist ein Elf, ich weiß es, aber ich kann ihn nicht einfach sterben lassen. Etwas in meinem Herzen fühlt sich von ihm angezogen. Wie schrecklich, hier an einen Baum gebunden zu sein und darauf zu warten, dass man stirbt. »Wenn du versprichst, dass du mir nichts tust, dann verspreche ich, dass ich dich nicht sterben lasse.«
    »Ich bemühe mich, es nicht zu tun, aber wenn sie kommt, dann …«
    Ich reiße an dem Draht, als seine Stimme abbricht.
    »Pass auf«, kann er gerade noch rufen.
    Ich wirble herum. Ein Handschuh fällt zu Boden. Den anderen habe ich nicht einmal halb angezogen. Eine Frau steht vor mir. Sie ist sehr klein, aber wunderschön, mit langen, fließenden schwarzen Haaren und einem dunklen Teint. Ich glaube, ich stehe mit offenem Mund da.
    »Bitte lass nicht zu, dass sie mich mitnimmt«, flüstert er, während ich zurückweiche.
    »Das werde ich nicht.« Aber ich weiß nicht genau, wie ich dieses Versprechen halten soll. Die Frau hat etwas Bedrohliches an sich. Vielleicht liegt das an dem Brustpanzerding, das sie über ihrem dunkelgrünen Samtkleid trägt, vielleicht aber auch an dem furchterregend intensiven Ausdruck ihrer Augen.
    »Du weißt, dass ich dich mit mir nehmen muss, Krieger.« Ihre Stimme klingt fest, und ihre Augen funkeln. Sie tritt einen Schritt vor. Ihre Hände sind schlank und grazil, aber sie sehen absolut todbringend aus.
    Ich hebe meine eigenen irgendwie kümmerlichen Arme. »Einen Augenblick. Time-out! Okay?«
    Sie feixt. »Du willst mich aufhalten, Kleine?«
    »Entschuldigung? Haben Sie mich gerade Kleine genannt? Und wie groß sind Sie? Einen Meter zwanzig?«, frage ich. Mein Temperament geht mit mir durch, und meine Stimme klingt ein bisschen schrill.
    Der Typ hinter mir keucht. »Hör auf.«
    Die Frau lächelt nur und macht noch einen Schritt nach vorn. »Es ist meine heilige Pflicht, die gefallenen Kämpfer mitzunehmen.«
    »Wohin mitnehmen?« Ich schnappe mir den Handschuh vom Boden und trete ein Stück zurück, damit ich wieder an dem Draht arbeiten kann. Ich tue so, als wäre ich ganz locker und lässig, als würde mein Herz nicht achthundertmal in der Minute schlagen oder so, als würden aus dem Mund dieser Frau nicht kleine, spitze Eckzähne ragen.
    »Nach Walhalla.«
    Ich krame in meinem Gedächtnis. Devyn hat mir von Mythen erzählt. Und ich glaube, dabei hat er auch dieses Wort erwähnt. Aber was ich im Kopf habe, ergibt keinen rechten Sinn, deshalb frage ich: »Walhalla? Wie in der nordischen Mythologie, richtig? Der Gott Odin? So heißt er doch?«
    Sie stürzt auf mich zu. Klauen entstehen, wo Finger sein sollten. Eine berührt meine Wange und ritzt mir die Haut auf. Ihre kalten, harten Augen starren mich an. Schneeflocken landen auf ihren Wimpern.
    »Du wagst es, seinen Namen auszusprechen, Mensch?«, sagt sie voller Selbstvertrauen und Bosheit. »Was bist du kümmerlich und hilflos gegen einen wie ihn.«
    Die Wunde, die sie mir mit ihrer Klaue zugefügt hat, scheint durch meinen ganzen Körper zu gehen. Es fühlt sich an, als hätte sich etwas ganz Wesentliches in mir verschoben. Schwindel kündigt sich an, aber ich kämpfe ihn nieder, wende den
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