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Finsteres Gold

Finsteres Gold

Titel: Finsteres Gold
Autoren: Carrie Jones
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kleinen Mischling nichts tun«, sagt sie. In diesem Augenblick erkenne ich, dass die Federn auf ihrem Rücken Schwingen sind, elegant und glänzend wie die eines Schwans, aber rabenschwarz.
    Ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. Ich weiß nicht, was ich sagen oder tun soll. Ich stehe einfach da und zittere vor Kälte oder vor Angst oder vor beidem.
    »Dein Mund steht offen«, sagt sie und lächelt fast dabei. »Ich werde dir diesen hier lassen, denn er wird wahrscheinlich überleben, weil du da bist. Du wirst entscheiden müssen, ob das gut oder schlecht ist, Mischling.«
    Ich will protestieren.
    Aber sie streckt die Hand aus. »Außerdem wird es bald andere Krieger geben. Der Tod ist nah. Er liegt in der Luft. Spürst du ihn?«
    So wie sie es sagt, habe ich den Eindruck, dass ich ihn tatsächlich spüre. Eine leise Bedrohung, ein lauernder Sturm. Der Schnee wirbelt um uns herum. Sie nickt mir zu und hebt ab. Ihre Schwanenschwingen breiten sich aus, und sie steigt in die Lüfte hinauf, um dort eins zu werden mit dem Weiß des Himmels.
    Ich stolpere zur Seite und falle. Der Typ landet auf mir. Er fängt an zu lachen. Es ist ein leises, irres, erschöpftes Lachen. »Tut mir leid. Tut mir wirklich leid. Mann … Mann … das war knapp. Ich dachte schon …« Er unterbricht sich und fängt wieder an zu lachen. Die Bewegung lässt ihn zusammenzucken und dann aufstöhnen.
    Ich krabble unter ihm hervor, voller Angst, dass er völlig übergeschnappt ist. »Wirst du wieder ganz gesund werden?«
    Er schüttelt den Kopf. Dann nickt er. Eine zerkratzte, kantige Hand hebt sich zitternd und reibt die Stelle, an der seine Haare die Stirn berühren. Unsere Blicke treffen sich. Sein Mund bewegt sich: »Danke.«
    Dann verliert er das Bewusstsein.
    Großartig.

Elfen-Tipp
    Elfen sind nicht gut. Sie sind böse. Nicht »schlechten-Tag-erwischt«-böse, sondern »Horrorfilm-der-dich-noch-abends-im-Bett-panisch-macht« -böse. Wobei – nein, viel schlimmer.
     
    Der heftige Wind bläst schrecklich. Sekunden dehnen sich zu zwei oder drei Minuten. Ich muss etwas Intelligentes tun, etwas, das nicht nur darin besteht, auf einen Typen hinunterzustarren, der bewusstlos im Schnee liegt. Er ist noch jung, wahrscheinlich nur ein paar Jahre älter als ich – wenn Elfen überhaupt altern wie wir, keine Ahnung. Er hat keine Winterjacke an, nur einen dunklen Pullover mit Norwegermuster und Jeans. Wahrscheinlich ist ihm schrecklich kalt.
    Ich schaue in den weißen Himmel hinauf und suche die Frau. Schneeflocken fallen mir in die Augen und schmelzen augenblicklich. Sie ist verschwunden. Während ich das Wasser wegblinzle, untersuche ich den Typen auf größere, womöglich blutende Verletzungen. Und ich finde ein Riesending: eine tiefe Bisswunde am Bauch. Das Fleisch ist in Fetzen herausgerissen. Blut von kräftiger blauroter Farbe sickert heraus. Vielleicht liegt das an den dunkelblauen Fasern seines Pullovers, die sich mit dem Blut mischen, oder Elfenblut hat eben so eine Farbe. Was weiß ich.
    Noch eine Sekunde klickt vorbei, da fangen seine Lider an zu flattern, und er öffnet die Augen.
    Ich habe nur meine Jacke, um die Wunde zu verbinden, also streife ich sie ab und wickle sie ihm um den Bauch. Die Ärmel verknote ich, damit ein bisschen Druck auf die Wunde kommt. Das Blut riecht metallisch, nach Kupfer.
    Ich klappe mein Handy auf und tippe die Mobilnummer meiner Großmutter ein. Sie kennt sich gut aus mit großen Wunden, denn sie ist nicht nur Rettungssanitäterin, sondern auch ein Wertiger, so wie Nick ein Werwolf ist. Klingt verrückt, ich weiß. Es klingelt einmal. Seine Hand legt sich über meine, und die Verbindung bricht ab.
    »Was machst du da?«, sage ich und Zorn durchströmt mich. »Ich hole nur Hilfe.«
    »Nein. Keine Hilfe.« Seine Lippen sind ganz trocken. »Muss mich verstecken. Bis ich gesund bin.«
    »Du sprichst nicht in ganzen Sätzen«, erkläre ich, »und das bedeutet, dass du nicht in der Lage bist, diese Entscheidung zu treffen.«
    Er schüttelt den Kopf. »Bitte. Niemand darf wissen, dass ich hier bin. Töten mich, solange ich schwach bin.«
    Das Telefon klingelt. Gram ruft zurück. Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare, nicht bedenkend, dass sie ganz blutig ist. »Das halte ich nicht für eine gute Idee.«
    »Bitte.«
    »Ich kann dich nicht sterben lassen.«
    Er stößt ein bitteres Lachen aus. »Wenn ich sterben sollte, hätte Thruth mich mitgenommen.«
    »Thruth?«
    »Die Walküre.«
    Mein Handy klingelt
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