Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finstere Versuchung

Finstere Versuchung

Titel: Finstere Versuchung
Autoren: Alexandra Ivy
Vom Netzwerk:
in Stein. Im Gegensatz zu Levet waren die meisten jedoch imstande, ihre Gestalt zu verändern, sodass selbst der größte Dämon in der Lage war zusammenzuschrumpfen, damit er auf den Seitenrand eines Gebäudes passte. Wo hätten sie sich besser vor den Menschen verstecken können, als hier, wo jeder sie sehen konnte?
    Nachts kamen sie heraus, um zu spielen.
    Und um zu plündern, zu rauben und ein allgemeines Chaos in der Dämonenwelt zu verursachen.
    Normalerweise ließen sie die Menschen in Ruhe …
    Normalerweise.
    Als Levet bemerkte, dass er das Unvermeidliche hinauszögerte, straffte er die Schultern und betrat die Kirche. Er hielt nicht an, um die friedliche Schönheit des Hauptschiffes zu bewundern, sondern steuerte direkt auf die Erkertür zu, die in den Garten, einen ehemaligen Friedhof, führte.
    Levet war mit einer besonderen Absicht hier. Warum das Ziel, das er erreichen wollte, mit einem Mal so wichtig geworden war …
    Er schüttelte heftig den Kopf.
    Ach was, mit dieser Frage wollte er sich später beschäftigen.
    Er lief an den langen Emporen vorbei, die rekonstruiert worden waren, sodass sie wieder in mittelalterlicher Pracht erstrahlten, und steuerte auf den hintersten Teil der Gartenanlage zu. Schließlich erreichte er die Stelle, nach der er gesucht hatte, und holte tief Luft, um sich zu beruhigen.
    Erst, als er mental vorbereitet war, durchquerte er die Illusion, die das uralte Steingebäude verbarg.
    Levet schnitt eine Grimasse. Trautes Heim, Glück allein.
    Er watschelte die Treppe hinauf, die zu der Eingangstür führte, und verspürte einen vertrauten Schmerz trostloser Sehnsucht in seinem Herzen, rasch gefolgt von einem bitteren Gefühl der Enttäuschung.
    Es gab keine glücklichen Erinnerungen, die ihm die Rückkehr erleichterten, kein Gefühl des Trostes.
    Seine Kindheit war ein elender Kampf ums Überleben zwischen seinen brutalen Geschwistern gewesen. Oh, und bei der letzten Begegnung mit seiner Mutter hatte sie versucht, ihn zu töten.
    Das waren kaum die richtigen Zutaten für ein glückliches Familientreffen.
    Als er zur Tür gelangte, war er nicht überrascht, sie unverschlossen vorzufinden. Welcher Dämon wäre schon dumm genug, das Versteck der Doyenne des Gargylennestes zu betreten?
    Er trat in den großen Raum mit der hohen Kathedralendecke und einer Menge Platz für einen Gargylen, um seine Flügel auszubreiten. Die Fußböden bestanden aus Hartholz und wiesen tiefe Löcher auf, die von den fast dreizehn Zentimeter langen Klauen seiner Mutter stammten. Weit oben gab es große Fenster, die einen Blick auf den nächtlichen Himmel boten.
    Der Rest des Interieurs wirkte wie etwas aus einem von Tausendundeiner Nacht inspirierten Albtraum.
    Karmesinrot gestrichene Wände, goldene und schwarze Seidenkissen, die mitten auf dem Boden aufgetürmt waren. Daneben stand eine große Wasserpfeife.
    Levet war sich nie sicher gewesen, ob seine Mutter in ihrer Wunschvorstellung der Scheich oder die Haremsdame war.
    Und dass er es nicht wusste, war das Einzige, was ihn davor bewahrte, eine Therapie machen zu müssen.
    »Also ist es wahr«, erklang dröhnend eine Frauenstimme, und der Boden bebte unter dem Gewicht des sich nähernden Gargylen. »Der verlorene Sohn kehrt zurück.«
    Levet erstarrte. Er würde nicht fortlaufen. Er würde nicht fortlaufen. Er würde nicht fortlaufen.
    Er griff nach oben und nahm das Amulett ab, das offenbar durch die Schutzzauber, von denen das Versteck umgeben war, deaktiviert worden war.
    Wenn seine Mutter eines war, dann gründlich.
    Und grausam.
    Übermäßig, außergewöhnlich grausam.
    Dieser Gedanke ging ihm durch den Kopf, während sein Blick an ihren stämmigen, muskulösen Beinen entlang nach oben glitt, die mit einer grauen Reptilienhaut überzogen waren. Ein langer, überraschend dünner Schwanz ringelte sich um die mit Klauen versehenen Füße. Er hob den Blick zu dem kräftigen Körper seiner lieben alten maman , der sogar noch breiter geworden war, seit Levet sie zuletzt gesehen hatte. Die großen, lederartigen Flügel auf ihrem Rücken besaßen eine Spannweite von mindestens drei Metern. Als sein Blick noch weiter nach oben wanderte, sah er Berthes Gesicht. Sie war das perfekte Beispiel für Schönheit nach Gargylenart.
    Eine kurze, dicke Schnauze. Kleine graue Augen, die unter einer massigen Stirn saßen. Zwei gebogene Reißzähne, die groß genug waren, Stoßzähne genannt zu werden, ragten aus ihrem Zahnfleisch im Oberkiefer und reichten bis zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher