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Finstere Versuchung

Finstere Versuchung

Titel: Finstere Versuchung
Autoren: Alexandra Ivy
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ihrem spitz zulaufenden Kinn. Und oben auf ihrem breiten Kopf saßen zwei scharfe Hörner, die poliert waren, sodass sie im Kerzenlicht glänzten.
    Levet setzte ein steifes Lächeln auf. »Bonsoir, maman. Du siehst …« Er ließ seinen Blick wieder zu ihrem beträchtlichen Körperumfang gleiten. »Wohlgenährt aus.«
    Berthe zuckte mit den Achseln. Im Gegensatz zu den meisten Frauen hatten weibliche Gargylen keine Probleme mit ihrem Gewicht.
    Ihre Philosophie lautete: je größer, desto besser.
    »Gregor erwies sich als Enttäuschung, also ließ ich ihn mit einer schönen Rosmarin- und Knoblauchsauce begießen und über dem offenen Feuer rösten«, sagte sie mit einem leichten französischen Akzent. »Er war als Abendessen weitaus befriedigender, als er es als Liebhaber jemals gewesen war.«
    »Wie entzückend.« Levet ignorierte den feindseligen Blick seiner Mutter auf seine hübschen Elfenflügel. »Hast du meinen Vater ebenfalls verspeist?«
    »Sei nicht so widerwärtig«, knurrte die Frau. »Ich bin doch keine Kannibalin.«
    Levet setzte eine zurückhaltende Miene auf. Gargylen waren wie die meisten Dämonen. Sie nahmen gerne Geliebte vieler verschiedener Spezies, obwohl sie normalerweise einen Gargylen auswählten, wenn sie brünstig waren.
    Mischlinge waren nicht unbekannt, aber sie kamen selten vor.
    Die Tatsache, dass seine Mutter sich immer geweigert hatte, den Namen seines Vater zu nennen, hatte Levet zu der Überzeugung kommen lassen, dass seine Abstammung noch eine weitere Quelle der Schande für seine Familie war.
    »Also war mein Vater ein Gargyle?«
    Berthe schnaubte. Glücklicherweise war ihr nicht klar, wie viel ihrem Sohn diese Information bedeutete.
    Wenn sie gewusst hätte, dass sie sie als Waffe verwenden könnte, um ihn zu verletzen, hätte sie nicht gezögert, sie auch so einzusetzen.
    »Was für eine Frage soll das denn sein?«
    »Eine recht offensichtliche, denke ich.« Levet breitete seine Stummelarme aus. »Sieh mich doch nur einmal an.«
    Berthe verengte ihre kleinen Augen zu Schlitzen. »Dein Vater war ein Furcht einflößender Krieger, der zahlreiche Söhne zeugte, die ihm nichts als Stolz einbrachten.«
    Levets Schwanz zuckte. Er wusste nicht, ob er über diese Information erfreut oder enttäuscht sein sollte.
    Er war Dämon genug, um auf die Vorstellung stolz zu sein, dass sein Vater bei den Gargylen bewundert wurde. Blutlinien besaßen stets eine große Bedeutung.
    Aber seit Jahrhunderten hatte er seinem Vater die Schuld daran gegeben, dass er den anderen Gargylen so wenig ähnelte.
    Wen sollte er jetzt dafür verantwortlich machen?
    »Warum sehe ich dann so aus?«, wollte er wissen.
    Berthe rümpfte mit unverhohlener Verachtung die Schnauze. »Du bist eine Laune der Natur.«
    Levet gab grimmig vor, dass ihre Worte ihn nicht verletzten. »Oder vielleicht sind auch eure Blutlinien nicht so rein, wie du dachtest?«
    Ein kleiner Rauchkringel stieg aus einem geblähten Nasenloch. Berthe gehörte zu den wenigen Gargylen, die Feuer spucken konnten. Das erklärte natürlich auch ihre Position als Doyenne.
    »Ein Fluch der Götter ist wahrscheinlicher«, gab sie zurück. Hass glitzerte in ihren grauen Augen. Ein Hass, der für Levet als Kind zerstörerischer gewesen war als die ganzen fürchterlichen Prügel. »Mir wurde gleich nach deiner Geburt geraten, dir den Kopf abzuschlagen.« Sie schlug mit ihren enormen Flügeln, was Levet durch den entstehenden Luftzug beinahe rückwärts zu Boden geworfen hätte. »Unglücklicherweise hatte ich ein zu weiches Herz, um diesem weisen Rat zu folgen.«
    Levet stieß ein verächtliches Schnauben aus und weigerte sich, sich das uralte Gefühl des Verrats einzugestehen.
    »Ein zu weiches Herz?«
    »Oui.« Berthe bewegte sich, um sich mit ihrer Körperfülle auf den Satinkissen niederzulassen, indem sie ihre Flügel über den Fußboden drapierte. Ihr Schwanz peitschte um ihre Füße. Sie war der Inbegriff träger Gleichgültigkeit, doch Levet ließ sich nicht täuschen. Zwar mochte sie wie eine schwerfällige Bestie wirken, doch sie konnte sich mit der Schnelligkeit einer zubeißenden Viper bewegen. »Ich ließ dich am Leben, in der Hoffnung, du würdest deine Entstellungen überwinden und dich zu einem Prinzen entwickeln, der es wert wäre, an meiner Seite zu stehen. Du solltest dankbar sein.«
    Dankbar.
    Das Wort hallte in Levet wider und verwandelte den Schmerz, von dem er sich geschworen hatte, dass er ihn niemals mehr verspüren würde, abrupt in
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