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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem
Autoren: Taavi Soininvaara
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blaß. Langsam, mit leiser und kraftloser Stimme erklärte sie ihren Vorgesetzten, was sie im Salon gehört hatte.
    Ratamo fühlte sich vollkommen leer. Sein Landsmann hatte sich und sieben andere Menschen in einem Kopenhagener Hotel in die Luft gejagt. Saarnivaaras Blick hattesich ihm tief eingeprägt. Er verstand nicht, wo der Mann so viel Haß in sich hatte aufnehmen und aufstauen können. Eines allerdings wußte er genau, er würde sich nie wieder kopfüber in die Gefahr stürzen. Sich davon zu erholen würde seine Zeit brauchen. Wenn es überhaupt möglich war, all das zu vergessen. Bei dem Gedanken, wie es in dem Salon jetzt wohl aussehen mochte, zuckte er zusammen.
    Ratamo schreckte aus seinen Gedanken auf, als sich Tamás Demeter neben ihn setzte. Jetzt lächelte auch der Ungar nicht mehr. Ratamo erzählte Demeter von seinem unbegründeten Verdacht und bat um Entschuldigung.
    Demeter war nicht überrascht. »Ich habe Simmons verdächtigt, aber keine Beweise gefunden. Sie hatte bestochene Helfer, sowohl in der Polizei als auch im NBH.«
    Obwohl er die Antwort ahnte, wollte Ratamo wissen, von wem Demeter gehört hatte, in welcher Straße er auf der Jagd nach Seppäläs Mördern in den Metrotunnel hinabgestiegen war. Demeter bestätigte seinen Verdacht – von Simmons.
    Ratamo wurde klar, daß der NBH Simmons vielleicht rechtzeitig enttarnt hätte, wenn er seine Frage in Budapest gestellt hätte. Es war zum Teil seine Schuld, daß Simmons nach Kopenhagen hatte kommen können. Diesmal würde er sich jedoch nicht von den Selbstvorwürfen beherrschen lassen. Die Leute, die diese Katastrophe ausgebrütet und angerichtet hatten, waren Wahnsinnige, sie hätten in jedem Falle irgend etwas Widerwärtiges zustande gebracht.
    Ratamo erschrak, als Stangerup ihn anstieß. Alle schauten Ratamo an.
    »Was hat Carol Simmons über Mike Mitrano gesagt? Woran können Sie sich noch erinnern«, fragte ein grauhaariger Mann in Polizeiuniform auf englisch.
    Nach den Rangabzeichen zu schließen, war der Fragesteller hier der Hahn auf dem Mist, vermutete Ratamo. »Simmons hat für Mitrano gearbeitet. Ich habe es so verstanden,daß Mitrano hinter allem steckte. Auch hinter den Morden an den Kommissaren.«
    Seine Antwort löste ein Stimmengewirr aus. Einen Augenblick später wurde Demeter zur Polizeiführung gebeten, nun wurde das Gespräch noch erregter.
    Nach einigen Minuten entfernte sich Demeter aus der heftig diskutierenden Gruppe und hielt inmitten der Menschenmenge Ausschau nach der Tür. Sein Blick traf den von Ratamo, und er ging auf dem Weg zur Tür bei seinem Kollegen vorbei.
    »Ich rufe im Kontor an, sie sollen Mitrano zum Verhör holen«, flüsterte Demeter und grinste.

58
    Mike Mitrano warf wütend die Zeitung auf den Fußboden. Man ließ ihn warten wie einen Dienstboten. Seine Nerven waren aufs äußerste gespannt. Er hatte die »New York Times« gelesen und die Lektüre mit zwei Tassen Espresso versüßt. Die Zeitung stammte vom Freitag, der Ziegelstein von heute würde erst morgen in Budapest eintreffen. Carol Simmons hatte immer noch nicht angerufen, obwohl schon auf fast jedem Fernsehkanal wortreich über die Explosion von Kopenhagen berichtet wurde.
    Er fürchtete, es könnte etwas im letzten Moment schiefgegangen sein. Ein Verbrechen ohne Risiko war unmöglich. Es gab nur eine sichere Art, sein Geld zu verdoppeln: Man mußte es zusammenfalten und wieder ins Portemonnaie stecken.
    Attila Horvát, Zoran Jugović und Akseli Saarnivaara mußten sterben, sie wußten zuviel von der »Operation Ungarn«. Zum Glück kannte keiner von ihnen die Namen der Budapester Tarnfirmen, auch Simmons oder Reimer nicht. DiePolizei könnte nichts wirklich Wesentliches herausfinden. Und daß die Familie mit Verdächtigungen belästigt wurde, daran war Mitrano gewöhnt. Natürlich wußten alle, daß es sich bei ihnen um eine Mafia-Organisation handelte, es war nur schwer, den Beweis anzutreten.
    Plötzlich schnatterten die Gänse auf dem Hof wie auf der Schlachtbank. Aldo stürzte zum Fenster, und Mitrano folgte ihm auf den Fersen. Es war nichts zu sehen. Noch nicht einmal eine Gans. Das war ein Nachteil des Gänsealarms. Die Vögel sagten nicht, warum sie schnatterten.
    Mitrano überprüfte mit der Gegensprechanlage, ob im Kontrollraum alles in Ordnung war. Das entnervende Warten ging weiter.
    Er hatte den brennenden Wunsch, daß sein Plan gelang. Mitranos Familie würde zu ihren Wurzeln zurückkehren, wenn sie sich in Europa niederließ.
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