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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem
Autoren: Taavi Soininvaara
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worden. Die Besichtigung wäre zu Ende, bevor sich die Türen des Museums um neun für das Publikum öffneten. Um halb zehn würde Reinhart die Parlamentspräsidentin treffen, um halb elf den Ministerpräsidenten, um eins hatte die Präsidentin zu einem Mittagessen geladen, und um halb drei würde er ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen zur EU-Erweiterung führen. Um vier sollte eine kurze Pressekonferenz folgen. Reinhart war letzte Nacht aus Schweden eingetroffen und würde am Abend nach Holland weiterreisen. In den nächsten Wochen wollte er alle EU-Mitgliedsländer besuchen.
    »Das Atheneum wurde vom Architekten Theodor Höijer entworfen und im Jahre 1887 fertiggestellt«, erklärte dieFührerin in ruhigem Tonfall zunächst in englisch, anschließend in französisch. Dann setzte sie ihren auswendig gelernten Vortrag fort: »Die Göttin der Kunst im Giebeldreieck, die Karyatiden, jene Frauenskulpturen, die das Hauptportal bewachen, und die Porträts der großen Meister Bramante, Feidias und Rafael, die über dem Haupteingang in Richtung Nationaltheater Ausschau halten, hat C. E. Sjöstrand geschaffen. Die anderen Ornamente sind das Werk von Ville Vallgren und Magnus von Wright.«
    Die wärmenden Strahlen der frühlingshaften Morgensonne fluteten den Bus. An diesem Tag hatte der Herbstregen eine Pause eingelegt, als nehme er auf ihre Aktion Rücksicht. Pastor entdeckte auf dem Ärmel seines grauen Anzugs ein Haar, zupfte es weg und holte ein Taschentuch heraus, um einige Staubkörner von seinen Schuhspitzen zu wischen. Ein Gentleman war stets gut angezogen, nicht unbedingt teuer oder modisch, aber immer korrekt und geschmackvoll. Alles mußte stimmen. Seine Handflächen schwitzten, obwohl er ganz ruhig war.
    Die Führerin hatte ihren Vortrag beendet und teilte das ihrer Kollegin in Reinharts Wagen mit. Es war Zeit hineinzugehen.
    Pastor beobachtete, wie der schwarze Mercedes mit Reinhart zwischen einem Polizeiauto und einem Mannschaftswagen beschleunigte, auf die Kaivokatu fuhr und in die Keskuskatu einbog. Er wußte, daß der Wagen hinter dem Kunstmuseum am Eingang zum Atheneum-Saal halten würde. Im Mercedes saßen außer dem Fahrer und Kommissar Reinhart die Führerin und ein Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung der SUPO. Der würde als erster aussteigen, kontrollieren, ob der Weg sicher war, und dann Reinhart und die Führerin ins Atheneum begleiten. Die Polizeiautos würden hinter dem Museum parken. Wie international üblich, war die Sicherheitspolizei für den Personenschutz Reinhartsverantwortlich und die Polizei für die Bewachung der besuchten Objekte.
    Der Pressebus kurvte vor das Atheneum, die Journalisten stiegen aus, unterhielten sich lebhaft und folgten ihrer Führerin zum Haupteingang. Neugierig blieben ein paar Passanten stehen und schauten sich die Gruppe an. Pastor und der Serbe liefen direkt hinter der Führerin. Die Anspannung ließ sich jetzt etwas leichter ertragen, weil das Warten ein Ende hatte.
    In der unteren Eingangshalle sprach, wie erwartet, ein Sicherheitsbeamter des Atheneums in sein Funkgerät. Als die Führerin ihren Vortrag über die prächtigen Skulpturen Walter Runebergs in der Eingangshalle begann, gingen Pastor und der Serbe schon in Richtung Toilette. Sie hörten noch den Namen der Skulptur von Apollo und Marsyas, dann fiel die WC-Tür ins Schloß. Die Männer öffneten den Boden des metallenen Kamerakoffers und entnahmen ihm ihre Waffen. In der Vertretung der EU-Kommission in Helsinki hatte man sie zwar kontrolliert, aber den doppelten Boden und die Pistolen nicht entdeckt. Dem Serben liefen dicke Schweißtropfen über die Stirn.
    Beide kehrten zu den anderen zurück, als die Journalisten, Kommissar Reinhart, die zwei Führerinnen und der SUPO-Mitarbeiter auf halber Höhe des monumentalen Treppenhauses angelangt waren. Die grauen Steinstufen führten zu den Ausstellungssälen im ersten Stock. Pastor blickte hinauf zu den schönen Deckenornamenten. In dem hohen und weiten Treppenhaus konnte nicht einmal das Stimmengewirr von zwei Dutzend Menschen das Klappern der Schuhabsätze übertönen.
    Die Gruppe erreichte den Mosaikboden am Ende der Treppe im ersten Stock und betrat den Ausstellungssaal. Hinter ihnen schloß sich leise rauschend die doppelte Schiebetür aus Panzerglas. Die Sicherheitsvorrichtungen inden Ausstellungsräumen waren auf dem neuesten Stand: Wenn jemand ein Gemälde berührte, wurde
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