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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem
Autoren: Taavi Soininvaara
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Fenster auf den Rasen, und die Gänse schnatterten, als stünde der Weltuntergang bevor. Zumindest das Alarmsystem funktionierte.
    Was zum Teufel war bei Simmons los, warum gab es diese Verzögerung? Wenn die Frau ihren Job erledigt hatte, wären alle Zeugen eliminiert, und nichts würde die ungarische Operation künftig gefährden. Er könnte nach New Jersey zurückkehren. Und dieses Europa der Hohlköpfe und Hinterwäldler verlassen.

55
    Die acht Männer des Sondereinsatzkommandos von Aktionsstyrke hockten im Raum der Klimaanlage in der zwölften Etage des Hotels Grand Marina. Im obersten Stockwerk befanden sich nur die Energiezentrale, die Lüftungstechnik, die Maschinenräume der Aufzüge und Lagerräume.
    Auf den kugelsicheren Westen der Männer über ihren schwarzen Overalls stand in weißen Buchstaben AKS. An den Helmen waren Mikrofon und Kopfhörer angebracht. Jeder der Polizisten trug im Ausrüstungsgürtel das Zubehör, das er für seine Aufgabe benötigte. Die Scheinwerfer auf den Schulterpolstern der Overalls waren nicht eingeschaltet. Zu der Gruppe, die von Jörgen Knudsen geführt wurde, gehörten der stellvertretende Leiter, zwei Scharfschützen, ein Sprengstoffspezialist, ein Technikspezialist sowie ein Spezialist für die Brandbekämpfung und einer für den Einsatz im Rauch.
    Knudsen hatte Kopfhörer auf und beobachtete kleine Monitore, die Kamerakabel und Mikrofone waren in Löcher mit einem Durchmesser von einigen Millimetern hineingeschoben worden, die sie an den Ecken in die Decke des Lillebælt-Salons gebohrt hatten. Der Handbohrer verursachte kein Geräusch und hob das ausgebohrte Material aus dem Loch heraus. Der Technikspezialist hatte vom Hoteldirektor den Grundriß des Gebäudes erhalten.
    Einen Augenblick später gab Knudsen dem Sprengstoffexperten und den Scharfschützen ein Zeichen, sie sollten schon den Flur der elften Etage sichern.
    Die drei Mitglieder des Einsatzkommandos verschwanden schnell und lautlos. Die Hartgummisohlen ihrer hohen Schuhe dämpften das Geräusch der Schritte und hafteten auf allen Unterlagen. In den Sohlen befand sich eine Kevlar-Schicht, sie schützte die Füße vor Kugeln, die den Fußboden durchschlugen.
    Nach der Bitte Lotte Stangerups, noch zu warten, hatte Knudsen fünf Minuten lang nichts unternommen. Innerhalb dieser Zeit hätte sich Stangerup laut Dienstvorschrift erneut melden müssen, aber von ihr war nichts zu hören. Das bedeutete, daß sein Einsatzkommando gebraucht wurde. Dieses Verfahren hatte man eingeführt, um sicherzustellen, daß ein Einsatzkommando nicht endlos lange untätig auf eine Meldung warten mußte, die dann nie kam. Ein gefangengenommener, entführter oder bewußtloser Polizist konnte sein Sprechfunkgerät nicht benutzen.
    Knudsen hatte herausgefunden, wer sich im Salon befand, wer bewaffnet war und was in dem Raum vor sich ging. Er glaubte, daß er die Situation unter Kontrolle hatte.

56
    Im Salon Lillebælt des Hotels Grand Marina herrschte eine absolute Stille, die man förmlich greifen konnte, als wäre sie aus Fleisch und Blut. Alle wußten, daß irgend jemand in Kürze etwas unternehmen würde: Die Gefangenen konnten nicht einfach dasitzen und auf ihren Tod warten. Simmons würde die dänische Polizei über das Exekutionskommando informieren, sobald sie erfuhr, daß man sich vor dem Schloß Christiansborg auf die Abreise des Kommissionspräsidentenzum Flughafen vorbereitete. Danach würden die Gefangenen umgebracht.
    Ratamo fühlte sich so, als hätte er Fieber: Der Schweiß lief ihm herunter, und sein Mund war trocken. Er konnte kaum klar denken. Ihm fiel nichts ein, was er hätte tun können. Vier bewaffnete Männer bewachten die Gefangenen, die an der Wand in einer Reihe saßen. Sie durften nicht sprechen; Jugović hatte eben etwas zu Horvát gesagt und dafür mit der Schulterstütze der Maschinenpistole einen Schlag auf die Stirn erhalten. Solche Angst hatte Ratamo noch nie gehabt. Aus irgendeinem Grund konnte er nur an Nelli denken. Und an seine eigene Dummheit, weil er sich wieder freiwillig mitten in die Gefahr gestürzt hatte.
    Simmons schaute auf ihre Uhr. Es war schon mehrere Minuten nach sechzehn Uhr. Warum fuhr der Kommissionspräsident noch nicht zum Flughafen? Ihr Blick wanderte die Reihe der Gefangenen entlang. Horvát, der in der Regel vor Kraft nur so strotzte, schwitzte und leckte sich die Lippen. Der bleiche Jugović hielt sich den Kopf und schwankte auf seinem Stuhl hin und her. Die Polizisten wirkten
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