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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett
Autoren: Taavi Soininvaara
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ihm gerade ein Geheimnis anvertraut hatte. »Das hört sich ja interessant an. Ihr hattet damals Proben, oder …«
    »Vorgestern abend hatten wir ein Konzert im Vuotalo. Und im letzten Jahr sind wir während der Helsinkier Festwochen im Restaurant Motti aufgetreten«, erzählte Ulla Palosuo begeistert, und auch Saara Lukkari beteiligte sich an der Unterhaltung.
    Alle haben eben ihre Geheimnisse, dachte Ratamo. Was würde sich bei Ulla Palosuo noch herausstellen? Für einen Augenblick hatte er Lust, seine Hand probehalber in die Frisur der Frau hineinzustecken und zu fühlen, was sichdort fand, aber es gelang ihm, dieser Versuchung zu widerstehen. Zum Glück war er noch nicht betrunken. Ulla Palosuo würde schließlich bald die Chefin der SUPO sein, und nach dem ersten Fall zu urteilen, war sie ein strenger Chef. Aber jemand, der im Beatles-Chor von Vuosaari sang, konnte kein schlechter Mensch sein.
    Endlich bemerkte auch Ketonen Ratamo und winkte ihn an seinen Tisch.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte Ketonen, während sein Blick auf die Quoten im Fernsehen geheftet war.
    »Ich habe in der Maschine nicht eine Minute schlafen können«, klagte Ratamo und schob sich einen Priem unter die Lippe.
    Ketonen machte ein paar Kreuze auf seinen Wettschein. »Bei den Ermittlungen hat es dann noch ziemlich überraschende Wendungen gegeben. Hierzulande wird in den Nachrichten kaum über etwas anderes gesprochen.«
    »Ich habe es während der Taxifahrt im Radio bemerkt. Willst du etwas über die Hintergründe hören?« Ratamo wartete auf eine Antwort, aber Ketonen war in die Vorstellung des nächsten Rennens vertieft. »Mich würden die Motive dieses Wolferman interessieren. Warum zum Teufel mußte er iranische Terroristen nutzen …«
    Ketonen kommentierte das nicht, er lächelte nur. Dann sah Ratamo, wie Ketonens Blick sich schärfte, als er eine Weile das Treiben seiner jüngeren Kollegen im Restaurant verfolgte. Es schien fast so, als wären seine Augen feucht geworden. Dann ertönte der laute Ruf: »Im Ziel ist die Zehn – ›Auf der Flucht vor dem Schlächter‹!« Auf Ketonens Gesicht erschien ein Breitwandlächeln.
    Sie saßen schweigend nebeneinander. Das vierte Bier bewirkte ein angenehmes Rauschen hinter Ratamos Stirn, langsam ertränkte es den Streß. Trotz der Müdigkeit und der Ereignisse der letzten Tage tat es gut, den Abend mitden Kollegen zu verbringen. Manchmal mußte man das Leben auch genießen, kontrollieren konnte man es ohnehin nicht, es hatte seinen eigenen Willen. Nur die kleinen Dinge verlaufen manchmal so, wie man sie plant, die großen niemals, überlegte Ratamo und ging zum Tresen, um zu fragen, ob sich im Hause ein Calvados fand.

EPILOG
    Der zweiunddreißigjährige grellgelbe VW fuhr mit heruntergelassenem Dach auf der Albertinkatu in Richtung Süden, und Nelli Ratamos lange blonde Haare flatterten im Wind. Das Mädchen hob die Hand gegen den Luftstrom, als ihr Vater den dumpf surrenden Wagen beschleunigte. Die salopp gespielte Gitarre von J. J. Cale begleitete träge das Stück »Call the Doctor«, aber diesmal sprang das entspannte Feeling nicht auf Ratamo über. Der Titel paßte zu gut zum Thema des Sonntagvormittags: Sie kamen von einem Besuch bei Tapani Ratamo im Krankenhaus.
    Am Tag vorher hatte Ratamo Ilona angerufen, war mit Nelli im Kino, in der Tagesvorstellung, gewesen, hatte seinen zusammenfassenden Bericht über die Ermittlungen geschrieben und auf seinem Computer in der E-Mail der französischen Botschaft gelesen, daß in der Botschaft während der gesamten sechziger Jahre kein einziger Finne gearbeitet hatte. Das reichte Ratamo. Die Suche steckte in der Sackgasse; er wollte sich damit zufriedengeben, daß er nicht wußte, von wem er die Hälfte seiner Gene bekommen hatte.
    »He, Vater, paß ein bißchen auf!« Nelli stieß Ratamo in die Seite, und der Käfer stoppte mit quietschenden Reifen auf der Kreuzung von Albertinkatu und Bulevardi an der roten Ampel, einen Meter von einem blonden jungen Mann entfernt, der den Fußgängerschutzweg überquerte.
    »Du solltest nachts schlafen und nicht auf der Straße«, sagte Nelli grinsend.
    Das Mädchen hatte recht, überlegte Ratamo und beobachtete gelassen, wie der junge Mann ihm den Mittelfinger zeigte. Er sah Eamon O’Donnell so weit ähnlich, daß die traurigen Gestalten der vorgestern abgeschlossenen Ermittlungen vor ihm auftauchten. Wie lange würden sie ihn begleiten? Und wann wäre er imstande, den Vorschlag, den er in Dexters Haus
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