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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett
Autoren: Taavi Soininvaara
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Augenblick Widerstand gegen das größte Übel geleistet, indem er die Videokassette an die Öffentlichkeit weitergegeben hatte. Kam das durch die Medikamente? Am meisten beschäftigte Ulrike, warum Ezrael gewartet hatte, daß sie ihre Waffe sinken ließ, bevor er Moreno erschoß. Hatte Ezrael sie absichtlich gezwungen zu wählen?
    »Die Taten von Robert Wolferman werden natürlich intensiv untersucht«, vermutete Ratamo.
    Hanes überlegte einen Augenblick, was er antworten sollte, und seine Hand wanderte über seine pechschwarzen Haarstoppeln. »Nach Wolfermans Tod wird es möglicherweise schwierig sein, das Ziel seines Planes zu ermitteln.«
    »Moreno sprach von irgendeiner außenpolitischen Operation«, erinnerte sich Ulrike.
    »Dexter könnte auch wirtschaftliche Vorteile angestrebt haben, seiner Frau gehört ein großes Stück der Firma Houston Oil. Nach Auffassung des FBI sollte man die Vermutungen besser sein lassen, man sollte nicht noch mehr Öl in die Flammen dieser Katastrophe schütten.« Hanes schaute hinaus auf die Pennsylvania Avenue, die von der untergehenden Sonne vergoldet wurde, und vermied es, seinen Gästen in die Augen zu sehen. Schweigen senkte sich über den Beratungsraum.
    Ratamo hatte das Gefühl, daß Hanes die ganze Kette von Ereignissen am liebsten totgeschwiegen hätte.
    »Alles hängt immer von so kleinen Dingen ab«, sagte Hanes schließlich. »Wolfermans Plan geriet wegen des Anschlags von Final Action in Gefahr, da man ihn im Beratungsraum von Dutch Oil gesehen hatte und die Information über das Konsortium bei der Polizei landete. Eine ganze Reihe von Zeugen, die Wolferman gefährlich werden konnten, lief frei herum: Scott Andersen, Gloria Davegna, Mary Cash, Eamon O’Donnell, Lasse Nordman, Ulrike Berger und John Dexter, der von Wolfermans Verbindung zum Konsortium wußte. Und schließlich auch Jaap van der Waal, der versuchte seine Haut zu retten, indem er Wolferman mit seinen Kenntnissen erpreßte. Wenn in Dexters Haus alles nach Wolfermans Plan verlaufen wäre, dann wären auch die letzten Zeugen gestorben, und alle Behörden hätten Dexter für den gehalten, der hinter dem Konsortiumund den Morden steckte und im Hintergrund die Fäden gezogen hatte. Der Plan war ausgezeichnet«, sagt Hanes fast bewundernd.
    Das Treffen ging zu Ende, Hanes sammelte seine Unterlagen ein und versprach, Ratamo und Berger hinauszubegleiten. Auf den Fluren des Hoover-Gebäudes spürte man das Adrenalin und die Hektik. Die dunkel gekleideten, sauberen und gepflegten Agenten erinnerten Ratamo aus irgendeinem Grund an den sich selbst klonenden Agenten in den Matrix-Filmen. Hieß er Smith?
    Ulrikes Unsicherheit wuchs mit jedem Schritt. Sie hatte Angst vor dem, was sie draußen erwartete, auf alle Fälle eine Armee von Reportern. Sie hatte ihren Traum verwirklicht, jetzt war sie für jeden Aktivisten auf der Welt eine Heldin, aber um welchen Preis? Dexter und vier Soldaten waren gestorben, und sie hatte zugelassen, daß Ezrael Moreno tötete. Wie sehr unterschied sie sich letztlich von Ezrael und Mary Cash? Auch sie hatte sich von der Gesellschaft losgesagt und Menschenleben für ihre Ziele geopfert.
    Die drei trafen im Foyer des Edgar-Hoover-Gebäudes ein. Vor dem Ausgang wimmelte es von Medienvertretern, sie glichen einer Herde von Hyänen, die auf Beute lauerten, und der hinter ihnen gleichmäßig wie ein Metallteppich dahinströmende Verkehr auf der Pennsylvania Avenue erinnerte Ulrike daran, daß die Ereignisse der letzten Tage nicht die ganze Welt ändern würden. Sie zählte sechs Übertragungswagen von Fernsehsendern. Die Abendsonne ließ sie daran denken, welche Aussicht man wohl um diese Jahreszeit vom Berg Croagh Patrick auf den Atlantik hatte. Bestimmt eine schöne. Wollte Ezrael den einzigen glücklichen Augenblick seiner Kindheit neu erleben und auf den Berg reisen, so wie er es angedeutet hatte, als er Dexters Haus verließ? Warum hatte Ezrael ihr dieses Geheimnis anvertraut? Stellte er sie abermals auf die Probe?
    Aus irgendeinem Grund hatte Ulrike der Polizei noch nicht erzählt, was Ezrael beim Abschied gesagt hatte, vielleicht würde sie das später tun. Sie hoffte, daß Eamon die Macht über Ezrael gewann, obwohl sie der Gedanke mit Angst erfüllte, daß sie verantwortlich wäre, wenn Ezrael wieder töten würde. Doch ohne ihn wäre sie jetzt entweder tot oder verhaftet, und Wolfermans Plan würde unaufhaltsam verwirklicht. Ezrael hatte eine Chance verdient.

FREITAG
    59
    Die indische
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