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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett
Autoren: Taavi Soininvaara
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Preis bezahlen müssen, ihm schien es fast so, als würde er besser davonkommen, wenn er vor der Hinrichtungskompanie stünde wie zu Kriegszeiten. Aber nur fast. Er beschloß, lieber der Polizei gegenüberzutreten als den Soldaten, und richtete sich auf und stellte sich neben Ratamo. Die Niederlage war schon vollkommen.
    Die drei gingen durch die innere Tür in die Garage, in derenEcken alles mögliche Gerümpel lag: ein Schaukelstuhl, ein schwarz gewordener Gasgrill, Fahrräder … Ratamo setzte sich hinter das Lenkrad von Dexters Cadillac Seville, war erleichtert, als er die Schlüssel sah, und startete das Auto. Warum hatte er das Gefühl, daß sie schon bald die Tiefe des Wassers mit beiden Beinen prüfen würden? Die Tätowierung, die unter dem Träger von Nellis Sommerkleid hervorschaute, ging ihm durch den Sinn, jetzt tat auch dieses Erinnerungsbild seiner Seele gut.
    Lasse Nordman, der sich den Bauch hielt, setzte sich auf den Beifahrersitz, und Ulrike kroch auf den Rücksitz. Der Bordcomputer erwachte zum Leben, ebenso das Kommunikationssystem. Ulrike schaltete den am Verdeck des Wagens angebrachten Minifernseher ein, zappte die Kanäle durch, die das Kernkraftwerk Calvert Cliffs zeigten, und verstand mit jedem Augenblick mehr.
    Die Kipptür der Garage öffnete sich, und die Lautsprecher des Hubschraubers brüllten den Neugierigen, die sich vor dem Haus versammelt hatten, Anweisungen zu. »Verlassen Sie das Gelände …« Ratamo beschleunigte den Wagen, fuhr auf die von Laubbäumen gesäumte ruhige Vorortstraße und bog an deren Ende in Richtung Vorstadt-Zentrum ab. Das Auto kam ins Schleudern, das Tempo war zu hoch. Man sah schon den Glockenturm. »Einer von uns könnte mit dem Video aus dem Auto fliehen, wir müssen irgendwo hinkommen, wo man uns vom Hubschrauber aus nicht sieht, in einen Tunnel oder so, und zwar schnell, bevor die Soldaten auftauchen …«
    »Ich kann nicht …«, klagte Lasse.
    Ulrike schaute ihn nicht einmal an. »Du hast auch schon genug angestellt. Außerdem ist das sowieso umsonst …«
    Ratamo drehte heftig am Lenkrad, als sich ein Transporter an der Kreuzung vor ihn setzte. Er warf Ulrike einen Blick zu. »Mir fällt nichts anderes ein. Ich versuche es …«Im selben Augenblick sah er an einem vorbeirasenden Transporter das Logo von News Channel 8, er bremste und wendete den Wagen. Wenn sie die Kassette in die Nachrichten bringen könnten, würde alles gut ausgehen. Wenn …
    Er drückte den Fuß auf das Gaspedal, und die Digitalziffern des Tachometers in dem massiven Auto zeigten innerhalb von Sekunden sechzig Meilen in der Stunde an. Die Fußgänger auf der Wisconsin Avenue drehten sich um. Wo zum Teufel steckte die Polizei, wenn man sie brauchte? Dann tauchte der schwarze Hubschrauber wie aus dem Nichts vor ihnen auf und schwebte so weit unten, daß seine Kufen fast den Asphalt berührten.
    Für eine Mikrosekunde überlegte Ratamo, ob er an der Seite vorbeifahren könnte, aber die Straße war zu schmal, und auf den Fußwegen standen Menschen, die den Zwischenfall beobachteten, er war gezwungen zu bremsen. Das Auto blieb auf dem trockenen Asphalt wie an einer Mauer stehen. Im selben Augenblick tauchten auf beiden Seiten und hinter ihnen Transporter auf, deren Hecktüren sich öffneten, und dann umzingelten etwa zwanzig ERT-Soldaten ihr Auto.
    »So ist das also zu Ende gegangen«, Lasse Nordmans enttäuschte Stimme kam von irgendwoher ganz tief in ihm. Er schaute Ulrike an und versuchte sich ihr Gesicht einzuprägen.
    »Genauer gesagt, so«, sagte Ulrike und drehte die Lautstärke des Minifernsehers auf. Der Nachrichtensprecher des Fernsehkanals ABC hörte sich ernster an als gewöhnlich:
»Wenn diese Videoaufzeichnung echt ist, dann bringt sie den stellvertretenden Verteidigungsminister Robert Wolferman und die Chefin der operativen Abteilung des DIA Amanda Moreno in Verbindung mit den Ereignissen im Kernkraftwerk Calvert Cliffs.«
    Ulrike schaute sich mit strahlendem Gesicht das in John Dexters Arbeitszimmer aufgezeichnete Video an. Sie hattegesehen, wie Ezrael die DV-Kassette gegen eine andere ausgetauscht hatte. Aber warum hatte sie darauf vertraut, daß er die Kassette an die Öffentlichkeit bringen würde? In Dexters Haus war auch vieles andere passiert, was sie noch nicht vollständig begriff. Eines war ihr allerdings jetzt schon klar: Sie hatte zugelassen, daß Ezrael Amanda Moreno tötete.
    Ratamo erinnerte sich, wie O’Donnell die Videokamera Ulrike Berger vor seinem
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