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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor
Autoren: Myriane Angelowski
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Heckscheibe klebte die Silhouette eines Jägers. So hoffte Ronny, als Mitarbeiter des Forstbetriebes durchzugehen. Bisher mit Erfolg. Noch nie hatte ihn jemand aufgehalten oder angesprochen. Einheimische wie Touristen grüßten freundlich, wenn er ihnen im Wald entgegenkam.
    Jetzt fuhr Ronny über den Berenscher Weg direkt in den Wernerwald. Als er die Stelle erreichte, an der die geteerte Straße in einen Schotterweg überging, setzte Nieselregen ein.
    Ronny drosselte das Tempo und fuhr behutsam im Licht der Scheinwerfer um größere Schlaglöcher. Nach gut fünf Minuten bog er nach rechts auf einen schmalen Waldweg, der auf beiden Seiten von dichten Tannen gesäumt wurde. Nach weiteren fünf Minuten tauchte das alte Blockhaus seiner Eltern zwischen Kiefern auf. Ronny parkte, schnappte sich den Tacker, der noch auf dem Sitz lag, und stieg aus. Fröstelnd schlug er den Kragen seiner Jacke hoch.
    Gewaltige Tannen knarrten im Wind.
    Ronny spürte das Messer im Ärmel, sprang die Stufen zur Veranda hinauf, drehte den Türknauf und sammelte sich einen Moment. Es roch modrig. Staubpartikel schwebten in der spärlichen Beleuchtung und legten sich auf die wenigen Möbel. Seine Eltern nutzten das Wochenendhaus seit Jahren nicht mehr, schienen es völlig vergessen zu haben, und Ronny hütete sich, es ihnen ins Bewusstsein zurückzubringen.
    Rasch ging er auf die niedrige Tür zu, die erst auf den zweiten Blick auffiel, weil sie sich fast perfekt in die tapezierte Wand einfügte. Ronny öffnete sie mit kräftigem Ruck. Eine steile Steintreppe führte in die Tiefe. Kratzgeräusche, Gebell und ein markerschütterndes Wimmern drangen an sein Ohr. Er drehte den altertümlichen Lichtschalter, griff nach der Gummischürze am Haken, zog sie über die Jacke, schnürte sie vor dem Bauch fest und eilte die Stufen hinab.
    Die Schreie der Katze glichen denen eines Kleinkindes, kamen allerdings gegen das aufgeregte Hundegebell kaum an.
    »Maul halten!«, zischte Ronny, als er an einem soliden Stahlkäfig vorbeikam, in dem ein Basset versuchte, seine Schnauze zwischen den Gitterstäben durchzuschieben.
    Ronny nahm den Tacker in die rechte Hand, hob den Deckel einer Sperrholzkiste, die auf einer Truhe stand, und feuerte eine Salve auf die Katze, die ihm aus blutunterlaufenen Augen entgegenstarrte. Silberne Klammern schossen in das gescheckte Fell des Tieres. Die Katze schrie, versuchte, sich in Sicherheit zu bringen.
    »Ratatatata!«, schrie Ronny, auch um das ohrenbetäubende Bellen des Hundes zu übertönen, das unaufhörlich weiterging.
    »Ratatatata!« Die Katze fauchte und krümmte sich. Einige Minuten machte Ronny weiter, verlor dann das Interesse, knallte den Deckel zu, fuhr herum und stellte sich breitbeinig vor den Hundekäfig. Der Basset bellte sich die Seele aus dem Leib und sprang aufgeregt umher. Ronny zielte mit seiner Pistole, drückte ab und verfehlte das Tier. Wütend sprang er einen Schritt vor und betätigte erneut den Abzug.
    Volltreffer. Der Hund winselte, sprang jedoch noch aufgebrachter gegen das Gitter und fletschte die Zähne. Ronny lachte, ballerte gnadenlos weiter. Er schoss dem Tier in Nase, Hals und Rumpf, zielte auf die Pfoten. Jaulend drängte sich der Hund rückwärts, doch er konnte Ronny nicht entfliehen. Erst als der Basset schließlich schwer auf den Boden sackte, ließ Ronny den Tacker sinken. Der Hund blutete, winselte und jaulte. Aus sicherer Entfernung beobachtete Ronny fasziniert das Leiden der Kreatur.
    Das Theater, das manche Menschen wegen eines Hundes machten, konnte er nicht nachvollziehen. Letztlich ergab ihr Dasein doch gar keinen Sinn. Ob Katzen oder Hunde, da sah Ronny keinen Unterschied.
    Obwohl, anfangs hatte er sich manchmal wirklich noch bemüht, den Tieren Fressen gebracht, versucht, sie abzurichten, einige sogar wieder laufen lassen, einfach so, weil er ihr Herr und Gebieter war. Diesen kleinen Katzen damals hatte er sogar vorgelesen. Lächerlich, klar, und das hatte er auch schnell aufgegeben. Die Stinker hielten ja einfach nicht die Schnauze. Eine Zeit lang hatte ihn die Situation hier unten im Keller schlichtweg überfordert. Er hatte den ganzen Mist eben nicht zu Ende gedacht. So etwas kannte Ronny. Er folgte einem Impuls und wusste dann nicht weiter.
    Doch mittlerweile war er klarer.
    Ronny hatte Kisten besorgt, fing nicht mehr ganz so viele Tiere, quälte sie, verpasste ihnen Tritte oder schleifte sie an den Ohren hinter sich her. Den Tod der Tiere nahm er dabei in Kauf, stopfte
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