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Die schoene und der Lord

Titel: Die schoene und der Lord
Autoren: Jaclyn Reding
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Prolog
    Oktober 1795 Inverness-Shire, Schottisches Hochland
    Was dauert denn da drinnen so verflucht lange?«
    Die Hebamme, die sich über den unförmigen, von Krämpfen geschüttelten Leib beugte, blickte kurz zur Tür hinüber. Obwohl dickes, wurmstichiges Holz sie voneinander trennte und unheimliche Schatten den Raum erfüllten, traf die schneidende Gehässigkeit dieser Stimme sie in aller Schärfe. Nichts konnte sie davor schützen.
    Ausgeburt der Hölle, dachte sie und wandte sich wieder mit besorgter Miene der jungen Frau zu, die in dem großen Himmelbett in den Wehen lag. Sie würdigte den Mann keiner Antwort, der auf der anderen Seite der Tür ungeduldig wartete.
    Ihr Schweigen schien ihn noch weiter zu reizen.
    »Ich hätte den kleinen Bankert mit einem Topfhaken schon längst hinausbefördert!« rief er. Dann herrschte kurz Stille, bevor es gegen die Tür hämmerte. »Hörst du mich, du schottische Hexe? Bring dieses Balg jetzt sofort heraus, sonst komme ich und kümmere mich selbst darum!«
    Wage es. Dann werde ich dir zeigen, wohin du dir deinen verfluchten Topfhaken schieben kannst...
    Aber Mary MacBryan verbiß sich die Erwiderung. So etwas wäre unter ihrer Würde gewesen und hätte ihr außerdem gewiß später eine saftige Bestrafung eingetragen. Ihre Hauptsorge galt der jungen Frau hier, nicht dem Satansbraten, der vor dieser viel zu stickigen und schlecht beleuchteten Kammer lauerte — einer Kammer, die eher einer Gefängniszelle glich als einem Schlafzimmer.
    Trotz des alten Leinentuchs, das sie sich ums Haar geschlungen hatte, standen Mary die Schweißperlen auf der Stirn. Sie wischte sie sich mit dem Schürzensaum ab und blickte beklommen auf die kleine Uhr, die neben dem Bett stand. Die Geburt ging nicht gerade reibungslos vonstatten. Ganz und gar nicht. Seit der letzten Nacht hatte Lady Catherine kaum mehr als ein- oder zweimal eine kurze Ruhepause gehabt, und dennoch wollte das Kind nicht kommen. Mary hatte versucht, seine Lage zu verändern, indem sie Catherine vorsichtig von einer Seite auf die andere rollte, um so das Kind in der Gebärmutter zu wenden, und trotzdem lag der Kopf noch immer unverrückbar unter ihrem angeschwollenen Busen.
    Mary besah sich Catherines feingeschnittenes Gesicht und kam nicht umhin, in ihren blauen Augen eine zunehmende ungesunde Trübung festzustellen, wie eine Kerzenflamme, deren schwacher Schein allmählich zu verglimmen drohte. Sie wird sterben, dachte sie, und bei diesem Gedanken wurde ihr das Herz schwer wie Blei. Wenn sie das Kind nicht bald auf irgendeine Weise herausbekäme, wären beide — Mutter und Kind — verloren. Die Zeit wurde allmählich knapp. Sie konnte nicht länger darauf warten, daß die Natur die Angelegenheit regelte. Sie würde die Sache selbst in die Hand nehmen müssen.
    Mary beugte sich über das Bett und brachte ihren Mund ganz nahe an Catherines Ohr. »Mylady?« flüsterte sie und strich ihr eine dunkle Haarsträhne zurück. »Ich bin es, Mary. Können Sie mich noch hören?«
    Catherine ließ ein schwaches, gequältes Stöhnen vernehmen, das mehr Ausdruck von Erschöpfung als von Schmerz war. Nach einem mühsamen Schlucken brachte sie mit heiserer Stimme hervor: »Ja, Mary.«
    Schlagartig wurde Mary klar, daß sie im Sterben lag. »Am besten trinken Sie erstmal den übrigen Himbeer-Lavendel-Tee, den ich für Sie bereitet habe. Der wird Ihre Schmerzen lindern und Ihnen Kraft geben, die Sie für die Entbindung benötigen.«
    Mary hob Catherines Kopf behutsam vom Kissen an und setzte ihr das hölzerne Trinkgefäß an die ausgedörrten Lippen, um ihr den Rest des lauwarmen Getränks einzuflößen. Catherine schluckte davon nur wenige Tropfen, der Rest rann ihr das Kinn hinab, unter das Mary vorsorglich ein Läppchen hielt. Mary strich ihr sanft übers Haar und musterte Catherine eingehend. Ein matter, unerfreulicher Schein ging vom schwachen Kerzenlicht aus und erhellte kaum die düstere und unwirtliche Kammer. Catherine wurde zusehends schwächer. Ihr dunkles Haar war schweißnaß und klebte ihr an der Stirn, ihre Wangen und der Hals waren gerötet von der Anstrengung und der drückenden Hitze in dem engen Raum.
    In dem groben Steinkamin hinter ihnen brannte ein stetes Feuer, das Mary nicht löschen durfte, da sie auf sein Licht ebenso angewiesen war wie auf seine Wärme, um das bißchen Wasser heiß zu halten, das ihr für die Säuberung nach der Geburt zur Verfügung stand. Die Kerzen um das Bett herum brannten langsam herunter
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