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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor
Autoren: Myriane Angelowski
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blieb schwer auf ihr liegen. Lallend. Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln.
    Angewidert rollte Phyllis ihn zur Seite, sprang hoch, zog ihn in die Kiste zurück, knallte den Deckel zu und brachte hektisch die Schlösser an. Wie von Sinnen griff sie den Hammer und verschloss die Kiste mit fünfzehn Stahlnägeln, die sie schnell ins Holz trieb.
    Mit dem Hammer in der Hand lief Phyllis die Treppe hinauf, löschte das Licht, verschloss die Tür zum Keller sorgfältig, hob die Trekkingflasche auf und verließ das Haus.
    Der kühle Morgen empfing sie. Phyllis sackte erschöpft auf die unterste Stufe und weinte bittere Tränen.
    ***
    Ronny umgab völlige Dunkelheit.
    Einen kurzen Moment fehlte ihm die Orientierung. Er hatte sich auf die Alte gestürzt und dann? Schlafmittel. Die Trekkingflasche, jetzt fiel es ihm wieder ein. Diese Drecksschlampe. Was hatte sie vor? Ronny rieb die Hände über seine Oberschenkel. Er fror. Wollten sie, dass er sich entschuldigte? Sollten ihn Erkenntnisse ereilen? Wie viel Zeit wohl vergangen war?
    Ganz offensichtlich war diese Phyllis verrückt.
    Sie hatte auf ihn geschossen! Völlig irre. So etwas hatte er nie gemacht. Gut, er war kein Unschuldslamm. Er hatte Tiere gequält, mit diesem Tacker auf sie gezielt und sie letztlich getötet, aber doch nur, um sie von ihren Qualen zu erlösen. Auf Menschen hatte er nie geschossen! Das war eine völlig andere Nummer.
    Diese Alte war der Kopf der Bande. Schlampe und Pickelfresse gehorchten ihr. »Sag den Namen des Jungen! Wie hieß er?« So ein Scheiß! Beim nächsten Mal würde er ihr die Zähne einzeln mit einer Zange ziehen.
    Sie wollte spielen, okay, er war bereit.
    Wenn die dachte, dass er sich vor Angst in die Hose machte, dann hatte sie sich getäuscht.
    Ronny hätte sich gern ausgestreckt, die Kiste war verdammt eng. Er fand eine wenig bessere Liegeposition, zog die Nase hoch und unterdrückte einen Hustenreiz.
    Diese verlogene Emily-Schlampe hatte ihn getäuscht wie kein zweiter Mensch auf diesem Planeten. Da war noch eine Rechnung offen, ganz klar. Sie musste bezahlen, dafür wollte er stark bleiben.
    Wenn nur diese verflixte Kälte nicht wäre. Ronny konnte sich einfach nicht warm halten, seine Knie schmerzten. Was sollte die Nacktheit? Sadismus. Zusätzliche Demütigung. Er hatte den Kindern die Sachen doch gar nicht ausgezogen! Diese Phyllis war viel brutaler als er! Sie wollte ihn weichkochen. Nur zu. Du weißt gar nicht, mit wem du dich angelegt hast!
    »Kein Elend in der Welt ist von beständiger Dauer.« Sehr tröstlich. Danke, Mutter . Er umschlang die Beine und versuchte, das Knurren seines Magens zu ignorieren. Seine letzte Mahlzeit schien ewig her. Es fiel ihm schwer, nicht an Essen zu denken. Schon im Knast hatten ihn Gedanken an Pommes und Schnitzel manchmal verrückt gemacht.
    Dazu lief seine Nase nun kontinuierlich, und der Husten wurde unangenehmer. Diese blöde Erkältung.
    Durst.
    Ohne Essen kam man ziemlich lange Zeit zurecht. Als Kind hatte er mal drei Tage nichts gegessen, es hatte ihm nichts ausgemacht. Aber Trinken war lebenswichtig. Hatte er dem Mädchen damals etwas zu trinken gebracht? Er erinnerte sich nicht.
    Lange konnte kein Mensch ohne Wasser auskommen. Ein Erwachsener in seinem schlechten körperlichen Zustand hielt vielleicht zehn Tage durch. Maximal. Höchstens. Darum ging es dieser Phyllis wahrscheinlich. Sie wollte ihm Angst einjagen. Pech gehabt. Da kannst du lange warten !
    Ronny stellte sich ein kaltes Bier vor. Dabei wurde ihm ein bisschen übel. Wasser. Glasklares Wasser. Am besten ohne Kohlensäure. Ihm fiel der Fall dieses Ingenieurs ein, der im Irak entführt worden war. Der Mann hatte seinen Urin getrunken. Ronny verzog das Gesicht.
    Um sich abzulenken, begann er, eine Liste mit Rolling-Stones-Alben zu erstellen. Er mochte die Stones, seit er denken konnte. »My Girl«. Der Song erinnerte ihn allerdings an Emily-Diane-Schlampenmaul. Es war erst einen Tag her, dass sie gemeinsam am Tisch gesessen hatten. »Das Glück ist ein launischer Gesell!« Ich weiß, Mutter!
    Denk nicht an die Lügentussi. Streich sie aus deinem Gehirn! Zumindest vorerst.
    Konzentrier dich auf die Stones . Sticky Fingers, Exile on Main Street. Voodoo Lounge, Black and Blue, Tattoo You . Mit dieser Aufgabe verbrachte er einige Zeit, beruhigte sich und döste ein.
    Durst weckte ihn. Seine Zunge klebte am Gaumen. Dazu rumorte sein Magen, und der Darm brannte wie Feuer, die Blase drückte. Wie lange war er weggetreten? Er
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