Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut
Autoren: Tatjana Kruse
Vom Netzwerk:
sich in Wirklichkeit um die »Gay Pride«-Gruppe, Sektion Schwäbisch Hall, aber he, das war ja im Grunde ohnehin alles austauschbar: Männerbund blieb Männerbund.
    »Hättest du uns bei der Renovierung vom Bistro geholfen, dann wäre dir vielleicht die Kugel erspart geblieben«, spekulierte Wanderführerautor Schmälzle mitleidlos.
    Seifferheld wollte etwas entgegnen, aber in diesem Augenblick ging das Geballere von Klempner Arndts Bereitschaftshandy los.
    Sunil wurde bleich, Dr. Wong warf sich zitternd unter das Krankenbett von Seifferheld. Eine Krankenschwester im Flur ließ vor Schreck scheppernd ihr Tablett voller Wackelpuddingbecher fallen. Der Sicherheitsdienst des Diakoniekrankenhauses kam mit gezückten Waffen angelaufen.
    Kurzum, alles war wie immer, wenn er mit den Jungs zusammen war.
    Seifferheld lächelte.
    Bedenke, dass auch ein Tritt in den Hintern einen Schritt vorwärts bedeuten kann.
    »Soll man dir jetzt gratulieren oder dich bemitleiden?«
    Auch der Stammtisch Mord zwo kam geschlossen angerückt. Seifferheld war enorm gerührt. Dombrowski von der Sitte hatte sogar extra in einer Tupperdose Kutteln mitgebracht.
    »Das hätte jedem passieren können!«, hielt Seifferheld dagegen.
    »Was genau? Dass ein abgebrühtes Entführerpärchen sich im eigenen Keller einquartiert, dort tagelang unentdeckt lebt, den Vorratsraum plündert, und keiner merkt’s?« Bärenmarkenbär Wurster griente. »Oder dass du dich selbstlos zum Schutz deines Harems einer tödlichen Kugel in den Weg geworfen hast?«
    »Beides.« Seifferheld nickte.
    Van der Weyden schlug ihm auf die Schulter. »Hast du schon alles sehr gut gemacht, Siggi.«
    »Was ist mit den Indern?«
    »Wurden nach Berlin überstellt und werden höchstwahrscheinlich an ihr Heimatland ausgeliefert. Johar sagt nur, dass er ohne seinen Anwalt nichts sagt, und die Chopra heult über ihre verlorene Chance, wie seinerzeit Wallis Simpson und der abgedankte Edward stinkreich durch die Welt zu jetsetten. Nur dieser Kumar scheint glücklich. Offenbar soll Johars Leben verfilmt werden, mit ihm in der Hauptrolle.«
    »In der BILD stand, es war ein Verbrechen aus Liebe. Zwei Herzen, die aus gesellschaftlichen Gründen nicht zueinanderfinden dürfen und sich deswegen an allen rächen wollen.«
    »Quark«, meinte Wurster, dem Romantik fremd war. »Der Johar sollte enterbt werden, weil er mit der falschen Frau zugange war, und da mussten sie sich schnell noch was einfallen lassen, um nicht ohne Kohle dazustehen.«
    Seifferheld ließ sich schwer auf das Krankenhauskissen sinken. »Was ist nur aus der Welt geworden?«
    Seine Ex-Kollegen schauten grimmig und nickten bedächtig.
    Nur Bauer zwo nicht.
    »Sag, Siggi, kann ich deinen Wackelpudding haben?«, fragte er und streckte gierig verlangend den Arm aus, wobei seine lila Ledermontur quietschte. »Den isst du doch sowieso nicht mehr. Und Grün ist meine Lieblingsfarbe!«
    Drum for Fun – featuring Helmerich Hölderlein
    »Befiehl du deine Wege / und was dein Herze kränkt / der allertreusten Pflege / des, der den Himmel lenkt! / Der Wolken, Luft und Winden / gibt Wege, Lauf und Bahn / der wird auch Wege finden / da dein Fuß gehen kann.«
    Es war Seifferhelds Lieblingschoral, fast vierhundert Jahre alt und immer noch aktuell. Die Worte eines solchen Chorals waren auch genau das, was man an seinem Krankenbett von einem Pfarrer zu hören erwartete.
    Nur vielleicht nicht auf einer Djembe-Trommel getrommelt …
    Und nicht so atonal, dissonant, unmusikalisch, misstönend!
    Seifferheld war fassungslos und guckte ungläubig. Dass man Töne so weiträumig verfehlen konnte, war ihm bis zu diesem Augenblick fremd gewesen.
    Irmgard guckte spitz.
    Sie hatte das deutliche Gefühl, dass die Liebe nichts anderes war als ein Seiltanz von Amateuren ohne Balancierstange und Netz. Und sie war abgestürzt. Alle Knochen taten ihr weh.
    Sie hatte einen grundanständigen, wertebewussten Pfarrer geheiratet – und ja, auch langweilig, aber langweilig war gut, bei langweilig wusste man immer, woran man war –, doch dann tauchte ihr Mann für eine Woche auf dem Schwarzen Kontinent unter, ohne auch nur einen Mucks von sich zu geben, und wie er dann wieder zurückkam, war er ein völlig anderer. Ein Musiker! Ja, was glaubte er denn? Dass sie zu seinem Groupie mutieren würde?
    Dr. Wong steckte den Kopf durch die Tür. »Entschuldigung, aber die anderen Patienten …«
    Helmerich sprang auf. »Natürlich, wie unsensibel von mir.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher