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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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tatsächlich für einen Tick zu theatralisch hielt. Aber vielleicht waren Inderinnen so?
    Rani fuhr fort. »Mein Vater hat sich zuletzt in Berlin aufgehalten, wo auch der Kulturattaché weilt. Ich habe die dortige Polizei informiert. Man sucht bereits nach meinem Vater. Bislang erfolglos. In seiner Wohnung ist er nicht. Man weiß nur, dass er Deutschland nicht verlassen hat. Die Beamten sagten aber, sie könnten dem Entführungsvorwurf erst nachgehen, wenn sie konkrete Hinweise hätten, ich solle ihnen den USB -Stick schicken. Aber wenn ich ihn aus der Hand gebe, und er geht verloren …«
    MaC fielen mehrere Dinge gleichzeitig ein: dass man die Protokolle ausdrucken und verschicken könnte, dass man den Kulturattaché anrufen und direkt warnen könnte, dass das Wasser jetzt inzwischen kochte, aber enorm merkwürdig roch. Konnten Wasserkocher schimmeln? Egal, sie brühte den Kaffee auf. Wo war nur der Zucker? Ah, dort. Mist, klumpig!
    »Außerdem habe ich den Stick nicht mehr.« Rani zog die Nase hoch. Auch das wirkte bei ihr nicht prollig, sondern bezaubernd. Als die Charme-Götter ihr Füllhorn mit Liebreiz und Anmut über der Menschheit ausgegossen hatten, hatte Rani offensichtlich einen Großteil davon abbekommen.
    »Sie haben den Stick nicht mehr? Wo ist er jetzt?«, erkundigte sich MaC und fragte sich zeitgleich – man ist ja Frau und somit multitaskingfähig –, ob man Kaffee auch mit Honig süßen konnte und wenn ja, wie lange der Honig in den kleinen Plastikdöschen, die man in Hotels bekam und gerne auch mal mitgehen ließ, haltbar war.
    Rani wischte sich noch mehr Tränen aus den Augenwinkeln und fasste sich wieder. »Als der Umschlag mit dem USB -Stick eintraf, habe ich ihn zum Abendessen mitgenommen. Ins
Indian Forum.
Es gab ›Navaratan Shahi Khorma‹. Gemüse mit Nüssen und Früchten in Sahnesoße«, fügte sie hinzu, als sie MaCs Stirnrunzeln bemerkte und missdeutete, denn es hatte gar nichts mit dem indischen Gericht zu tun, sondern mit den kleinen Honigportionspackungen.
    »Da wusste ich ja noch nicht, was sich in dem wattierten Umschlag befand. Mein Vater schickt mir hin und wieder kleine Geschenke, Ohrringe oder Ähnliches.« Rani fasste sich an ihr linkes Ohrläppchen, an dem eine schwarze Perle schimmerte. »Als ich seine handschriftliche Notiz dann gelesen hatte, war mir sofort klar, dass ich den Stick verstecken musste. Mein Zimmer im Wohnheim des Goethe-Instituts ist wunderbar, aber nicht einbruchsicher. Ich musste den Stick an einem Ort verstecken, an dem ihn keiner vermuten würde. Das war doch so wichtig! Ich konnte gar nicht mehr klar denken. Da habe ich den Stick in eine dieser Buddha-Figuren gesteckt, die im
Indian Forum
herumstehen und die innen hohl sind.«
    »Kaffee?«, fragte MaC und schob Rani einen Becher hin. »Milch habe ich leider nicht.«
    Ranis Schultern sackten nach unten. »Was soll ich denn jetzt nur tun?«
    »Das ist doch gar kein Problem«, erklärte MaC, nahm einen Schluck, verzog angewidert das Gesicht und schüttete den Inhalt beider Becher in die Spüle. Sie war Österreicherin, kam aus dem Land mit der vielfältigsten, edelsten Kaffeekultur, da konnte sie dieses Gesöff nun wirklich nicht guten Gewissens anbieten. Dieses Brackwasser verdiente es nicht, Kaffee genannt zu werden. Geschweige denn getrunken zu werden. Dann gab es eben nichts zu trinken. Ihr Ruf als Hausfrau und Gastgeberin war ohnehin ruiniert.
    Sie drehte sich zu Rani um und klopfte ihr auf die Schulter. »Wir gehen ins
Indian Forum,
besorgen uns den Stick, drucken die Protokolle aus und wenden uns damit an die Polizei.«
    Rani sah sie hoffnungsvoll an, schüttelte aber dann den Kopf. »Es gibt noch etwas, das ich Ihnen sagen muss. Als ich die Expresssendung erhalten habe, bemerkte ich einen Fremden, der dem Expressauslieferer offensichtlich gefolgt war. In dem Moment habe ich mir nichts dabei gedacht. Dieser Mann fiel mir aber auch später im
Indian Forum
auf, und da wusste ich natürlich gleich, dass etwas nicht stimmen konnte. Er hat nicht gesehen, wie ich den USB -Stick versteckt habe, da bin ich sicher, und den Umschlag habe ich ja auch behalten, so dass er bestimmt davon ausging, ich hätte den Stick noch. Er verfolgte mich bis zum Wohnheim. Heute Morgen, als ich zum Institut ging, war der Mann immer noch da. Und ich bezweifele nicht, dass er mittlerweile mein Zimmer aufgebrochen und gemerkt hat, dass der Umschlag leer ist.«
    MaC dachte nach, was ihr so ganz ohne Kaffee irrsinnig

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