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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut
Autoren: Tatjana Kruse
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Wort gesagt. Nicht, als er Frau Söback mit einer halbherzigen Zusage für die Radiokolumne zur Tür begleitet hatte. Nicht, als er zu MaC zurückgehumpelt kam, um ihr die Sachlage zu erklären. Und auch jetzt gab sie keinen Ton von sich. Die große Schweigefolter.
    »Das ist doch lächerlich.« Schwups, waren ihm die vier Worte herausgerutscht. Noch im Sprechen wurde ihm klar: GROSSER FEHLER !
    Er erinnerte sich nur zu gut an die Kämpfe der letzten Monate, bevor sie bei ihm eingezogen war. Womöglich lag es wirklich an einem eklatanten Mangel an Männern mittleren Alters in Hall, aber seit kurzem schien er – ohne eigenes Zutun! – zum Frauenmagneten mutiert zu sein. Eine Blume der Nacht hatte ihn auf offener Straße geküsst, Usch Meck (Frauchen der Berner Sennenhündin, die Onis zum Vater gemacht hatte) war ihm spontan verfallen, und die Frauen der Stickgruppe suchten schon gar keinen Vorwand mehr, um ihn in die Backen zu kneifen (und zwar nicht immer in die im Gesicht).
    »Lächerlich?« MaCs Stimme klirrte. Die Raumtemperatur fiel abrupt um zehn Grad. Onis, der einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb besaß, schnappte sich seinen rosa Teddy und trabte zügig aus dem Schlafzimmer.
    »Lächerlich?«
    MaC schnaubte, während sie ihren Kulturbeutel in den Trolley knallte. Es klirrte, und gleich darauf waberte
Chanel No. 5
durch den Raum, aber dafür hatte MaC jetzt keinen Sinn. Allmählich beschlich sie das Gefühl, ihr Siggi würde seine Hormone nur unter Kontrolle halten können, wenn man ihm die Eier absäbelte. Was sie ja zu gern tun würde, nur dass sie auf die Schnelle keine geeignete Gartenschere zur Hand hatte.
    »Weißt du, was ich denke, Siggi, mein Schatz? Ich denke, du fürchtest dich vor dem Altwerden. Du hast das Gefühl, womöglich etwas zu verpassen, und stürzt dich deswegen von einem Flirt in den nächsten, ungeachtet meiner Gefühle, ja, meiner Existenz!«, fauchte MaC.
    In Seifferheld drängte sich alles danach, ihr zu widersprechen. Aber … hatte sie möglicherweise recht?
    Als er nicht antwortete, zuckte MaC ergeben mit den Schultern. »Ich kann das nicht. Wie du sehr wohl weißt, habe ich mit untreuen Männern meine Erfahrungen gemacht, und das brauche ich nun wirklich nicht noch einmal. Tut mir leid.« Sie schlug ihren Koffer zu, zog den Reißverschluss zu und sah Seifferheld jetzt endlich in die Augen.
    »Gott hat Männern ein Gehirn und einen Penis gegeben, aber die Blutversorgung reicht offenbar immer nur für eins von beiden. Gut, dass ich meine Wohnung noch nicht gekündigt habe. Wir brauchen eine Auszeit.«
    Damit rauschte sie davon.
    Seifferheld hätte versuchen können, sie aufzuhalten. Wenigstens verbal. Ihr nachzulaufen war ja schon allein wegen seiner Hüfte ein Ding der Unmöglichkeit.
    Aber er versuchte es nicht.
    Er ließ sich schwer auf das Bett fallen und ging in sich.
    Nach ein paar Minuten hörte er Schritte im Flur und das Geräusch eines Koffers, der schwer auf dem Steinboden abgestellt wurde.
    »Marianne?«, hauchte er tonlos und überrascht. Freudig überrascht.
    Er stand auf.
    Die Schritte näherten sich der Schlafzimmertür, die Tür wurde aufgerissen und auf der Schwelle stand – Tusch! – seine Schwester Irmgard.
    »Siggi, ich ziehe wieder bei dir ein! Freust du dich?«
    Überbeschäftigung ist besser als Einsamkeit. (Karl Lagerfeld)
    MaC zog ihren Trolley durch die verwinkelten Straßen von Schwäbisch Hall. Auf den Pflastersteinen knatterte der Samsonite-Koffer besonders laut und weil er im Zorn und somit heftig gezogen wurde, erhöhte sich die Dezibelzahl um ein weiteres.
    Der Weg vom Seifferheld-Haus in der Unteren Herrngasse zu ihrer Wohnung im Lindach war eigentlich kurz, führte quasi nur über drei Brücken und fertig, aber wenn MaC Kummer hatte, brauchte sie etwas zu essen, da war sie ganz Wienerin. Es durfte allerdings nichts sein, was allzu viele Kalorien hatte, da war sie ganz Frau. Also stapfte sie mitsamt Trolley quer durch die Stadt zur Metzgerei Hespelt, wo es leckere, fertig angerichtete Salate und perfekt vorgeschnittenen Obstsalat zum Mitnehmen gab.
    Ihr Handy klingelte. Sie vermutete, dass Siggi sie um Verzeihung anflehen wollte.
    » WAS !«, bellte sie demzufolge ungnädig in den Hörer.
    »Frau Cramlowski?« Es war ihr Chefredakteur.
    »Äh, ja bitte?«
    »Frau Cramlowski, ich habe da einen Auftrag für Sie: Dieser Tage kommt doch der indische Kulturattaché zu Besuch nach Hall. Ich möchte, dass Sie dabei sind, wenn er sich im
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