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finde-mich-sofort.de (German Edition)

finde-mich-sofort.de (German Edition)

Titel: finde-mich-sofort.de (German Edition)
Autoren: Tatjana Meissner
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Straßenseite steht – nur schemenhaft erkennbar – eine Person und wartet. Eine einzelne Straßenlaterne beleuchtet diese Ecke nur unzureichend. Meine Knie werden weich, mein Herz klopft am Hals. Ich nehme allen Mut zusammen und gehe los, selbstbewusst mit festem Schritt, direkt auf ihn zu. Er schaut, aufgeschreckt durch meine laut hallenden Schritte und auf seine neue Unbekannte wartend, in meine Richtung. Sämtliche schauspielerischen Fähigkeiten einsetzend, spreche ich ihn schon an, als ich noch zwei Schritte entfernt bin: » XY , was für ein Zufall! Was machst du denn hier?«
    Sein Gesicht scheint blass im Straßenlicht, ernst und ein wenig aufgeregt begrüßt er mich. »Ja, hallo, ich warte!«, und dann setzt er, einen halben Schritt zurückweichend, nach: »Auf meine Frau!«
    Ich sage nichts und beobachte ihn genau. Er trägt eine legere Jacke. Seine Körperhaltung erinnert mich an meine Katze, wenn sie eine Maus jagt und die Muskeln anspannt, um zum Sprung anzusetzen. XY versucht, über meine Schulter hinweg, die Straße im Auge zu behalten. In meinem Kopf wirbeln die zurechtgelegten Sätze durcheinander. Eigentlich will ich sagen: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders! Das ist nicht von Sartre!« Bekomme aber keines dieser Worte heraus.
    XY stottert ohne mich anzugucken, er habe meine CD gefunden und was ich denn hier täte.
    Ich hole ganz tief Luft: » XY , ich muss dir mal eine Legende erzählen!«
    Er blickt mir das erste Mal richtig ins Gesicht.
    »Meine Legende von der Mitarbeiterin einer Werbeagentur. Deckname: Alexandra!« *weg duck* Stille, nur Millisekunden lang, aber endlos erscheinend. Ich nehme ein kurzes Blitzen in seinen Augen wahr, und plötzlich fängt er schallend an zu lachen, er biegt sich mitten auf der Straße und kann es nicht fassen. In dem Moment fällt alle Angespanntheit von mir ab. Ich vollführe Freudentänze mit erhobenen Armen und mache mit den Händen das Victory-Zeichen. Ja! Ja! Ja! XY ruft: »Das muss dir doch jetzt ein innerer Parteitag sein!« Ja! Innerer Parteitag! Wie bin ich erleichtert. XY hat Humor. Das muss man ihm lassen. Wir sind quitt und können einander wieder in die Augen sehen.
    Bei einem Cocktail reden wir so ehrlich wie noch nie miteinander. Das heißt, er redet endlich mal ehrlich von seiner Familie, seinen Kindern und Lebensumständen. Zwischendurch schüttelt XY immer mal wieder ungläubig den Kopf und lacht. Am nächsten Morgen finde ich eine E-Mail in meinem Postfach:
    Liebe Tati, ich bin immer noch sprachlos wegen der Überraschung, die du mir gestern bereitet hast. Ich hatte wirklich schon lang nicht mehr so weiche Knie. So war ich denn auch blind für deine Augen, die vor Freude und Erwartung blitzten. Aber wie du dich in diesem Moment im Griff hattest – Respekt, Respekt! Ich gönne dir diesen Sieg von Herzen, denn vor so einer Leistung kann man nur den Hut ziehen! Liebe Grüße XY
    Danke für die Blumen! Ich nehme es als Ritterschlag und bin froh, meinen inneren Frieden gefunden zu haben. Nur die Klaus-Hoffmann- CD habe ich immer noch nicht wieder.
    Nach dem Lesen seiner Mail ist mein Vergeltungsrausch auch schon verflogen. Wie auf Droge hatte ich mich gefühlt: so mutig, unkonventionell und witzig! Jetzt sitze ich vor meinem PC und frage mich, warum ich diesen ganzen Aufwand betrieben habe. Wie viel Zeit, Kraft und wie viele Gedanken hatte ich in ein aussichtsloses Projekt investiert, in einen Blender, den ich doch gar nicht mehr haben wollte. Gut, der Ausgang des Geschehens hatte meine Seele gestreichelt und mein Selbstbewusstsein getätschelt, aber sonst? Des Weiteren muss ich mich fragen, warum Männer, die mich am liebsten sofort heiraten wollen, die mich anhimmeln, mir jeden zweiten Tag Rosen schenken, die sich ernsthaft für mich interessieren und alles Mögliche tun, damit es mir gut geht, genau das Gegenteil bewirken. Schlimmer noch, sie interessieren mich nicht. Das ist doch schizophren.
    Alexandra und ihr Equivocal sind in meinen Augen ein ähnlich schwieriger Fall. Warum verrät meine Schwester alle ihre Hoffnungen auf eine Partnerschaft voll Offenheit, Liebe und Intimität? Warum ließ ich XY nicht einfach sausen, als ich merkte, dass er mich betrog und ausnutzte? Was macht diese bösen Buben für uns so attraktiv? Ihr Desinteresse, ihr Egoismus, ihre Indifferenz und Verantwortungslosigkeit? Wird eine Beziehungsanbahnung erst spannend, wenn’s so richtig hoffnungslos ist? Bei Alexandra und ihrem Equivocal scheint das so zu sein.
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