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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben
Autoren: Petra Reategui
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Erbrochenem, aber er setzte sich. Eigentlich freute er sich, Tilman wiederzusehen.
    Â»Willst du mir deinen Namen verraten? Ich hab dir meinen gesagt, aber du mir nicht deinen.«
    Â»Giacomo.«
    Â»Giacomo!« Tilman schnalzte mit der Zunge und wiederholte den Namen ein paarmal, bis er ihm geläufig über die Lippen kam. »Hab mir ja gleich gedacht, dass du nicht von hier bist. Sondern …?«
    Â»Wohnst du hier?«, fragte Giacomo und deutete auf das heruntergekommene Haus. Er hatte keine Lust, Tilman von sich zu erzählen. Natürlich verriet ihn seine Aussprache, er konnte es nicht verhindern, aber er hasste es, dass jedes Gespräch früher oder später in die Fragen mündete: Woher kommst du und was machst du hier? Am Anfang hatte er es noch erklärt, aber wenn die Leute dann hörten, dass er aus den Alpen kam, guckten sie ihn schräg an. So, aus dem Welschland, schimpften sie dann. Du denkst auch, bei uns liegt das Geld auf der Straße. Wir haben selbst nicht genug zu essen. Unsere Kinder hungern, weil ihr uns die Arbeit wegnehmt. Geht zurück, wo ihr hergekommen seid!
    Tilman schien es Giacomo nicht übel zu nehmen, dass der nicht auf seine Frage antwortete. Er lachte.
    Â»Und wenn es mir noch dreckiger gehen würde, zwischen den Mauern wollt ich nie und nimmer hausen. Zu viele Arme hier im Armenhaus. Und das Armenbrett von Sankt Johann Baptist ist lang nicht so üppig wie das Lyskirchener. Nein, nein, ich wohn in der Holzgasse, eine gute Seele versorgt mich dort mit Stroh und einer Decke, dafür reinige ich die Latrinen. Eine saubere Arbeit!« Wieder lachte Tilman laut heraus. Er schien das Leben von der heiteren Seite zu nehmen.
    Â»Aber ich komme oft hierher, man kennt sich«, setzte er nach einer Pause hinzu und deutete auf den Banknachbarn, der schon wieder leise vor sich hin schnarchte.
    Giacomo überlegte, ob er Tilman von seinem Erlebnis bei Farina erzählen sollte. Der andere schien kein unangenehmer Zeitgenosse zu sein.
    Â»Kennst du außer dem ›Fliegenden Amsterdamer‹ noch andere Orte, wo Landsleute von mir verkehren?«, fragte er stattdessen.
    Tilman kratzte sich am Kopf und dachte nach.
    Â»Es gibt ein paar Schenken. Eine liegt hinterm Neumarkt, eine andere in der Spielmannsgasse.«
    Er deutete vage auf einen unsichtbaren Punkt hinter dem Armenhaus.
    Â»Aber ich warne dich. Meine Latrinen stinken besser als das Essen, das dort auf den Tisch kommt«, flachste Tilman und schlug Giacomo aufmunternd auf den Rücken.
    Es war die Rothaarige, die ihn zuerst wiedererkannte. Mit einem süßen Lächeln kam sie auf ihn zu, hakte sich bei ihm ein und zog ihn zu ihrem Tisch, ohne dass er sich wehren konnte.
    Â»Du hast mich also gefunden«, triumphierte sie und fuhr wie zufällig mit der Hand seinen Oberschenkel entlang. »Bring uns was zu trinken, Griet!«, rief sie der jungen Frau hinter der Theke zu und kuschelte sich dann an Giacomo, als ob sie sich schon ein Leben lang kannten.
    Â»Ich hab noch immer kein Geld.«
    Giacomo wollte aufstehen, aber sie hielt ihn fest.
    Â»Nein, nein, so leicht kommst du mir dieses Mal nicht davon, du hast mich doch gesucht«, hauchte sie ihm ins Ohr. Es kitzelte ihn bis in den Nacken, unwillkürlich zog er den Kopf zwischen die Schultern.
    Noch einmal wollte er protestieren, aber sie legte ihren Zeigefinger auf seinen Mund und küsste den Nagel. Ihre Augen waren ganz nah, ihr Mund, die Kuhle zwischen ihren Brüsten. Er roch ihren Schweiß, ihre Lippen streiften seine Haut, sie waren feucht und heiß.
    Â»Du bist mein Gast«, wisperte sie, dann richtete sie sich auf und prostete ihm zu.
    Als Griet mit einem Augenzwinkern zum dritten Mal frisches Bier brachte, rutschte die Hand der Roten in seine Hose. Er wollte sie festhalten, doch dann ließ er sie gewähren.
    Â»Von woher kommst du?«, fragte sie ihn.
    Â»Von weither.«
    Â»Von dort, wo man italienisch spricht.«
    Sie kicherte amüsiert, als sie sein verblüfftes Gesicht sah.
    Â»Woher weißt du das?«
    Statt einer Antwort fuhr sie ihm mit der Zunge ins Ohr.
    Â»Können wir nicht irgendwohin gehen?«, fragte er leise.
    Â»Griet wohnt hier, wir könnten zu ihr.« Sie machte Griet ein Zeichen, dann stand sie auf. »Komm!« Ihre Stimme war jetzt wieder so schnippisch wie tags zuvor auf dem Fischmarkt, aber nun war es zu spät. Er wollte sie.
    Sie ging ihm voraus in den
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