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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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es meinem Boten, aus welchem Grund auch immer, nicht möglich sein, meinen Söhnen diese Papiere zu überbringen, so flehe ich denjenigen, welcher dieses Dokument liest, an, jene Pflicht zu übernehmen. Dafür erteile ich ihm meinen Segen, falls jemand wie ich noch dazu befugt ist, Segen zu spenden.
    Denn ich bin jener Mann, den man den Erlöser nennt, zum Guten oder Schlechten, und mag man auch allgemein davon überzeugt sein, ich sei seit zwanzig Jahren tot, so haben mir die Dämonen dennoch gestattet, in dieser Höhle weiterzuleben …
     
    Den Anfang des letzten Absatzes betrachtete Matthias lange mit Tränen in den Augen. Er hatte sich stets als Gelehrten bezeichnet, aber er hatte die Lehren des Tabernakels einfach hingenommen, ohne darüber nachzudenken. Spätestens seit er begonnen hatte, sich mit Alter Inselsprache zu beschäftigen, hätte ihm ein Licht aufgehen müssen.
     
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    Denn ich bin jener Mann, den man »Roca« nennt.
     
    »Erlöser« in Alter Inselsprache.
    Roca.
    Matthias hatte es einfach für einen Namen gehalten, nicht für einen Titel, der sich auf Tatsachen gründete. Der Roca trug einen ganz normalen Namen, und dieser lautete ausgerechnet Coulter, wie der jenes Jungen, der vor Matthias’ Augen auf dem Berg in Flammen gestanden hatte. Und jener frühere Coulter, der Roca, hatte seinen Sohn Matthias genannt.
    Gute alte Namen, hatte Pausho damals gemeint.
    Namen aus den Blutklippen.
    Familiennamen.
    Aufbewahrt in einem Gewölbe unter einer Stadt namens Constantin, jetzt Constantia genannt.
    Und auch die Segnungen fanden sich dort. Überall sonst falsch zitiert und entstellt. Alte Inselsprache war viel subtiler als die neue. Schon die Umstellung einzelner Wörter veränderte ihre Bedeutung. Man ließ ein paar Wörter aus, stellte ein paar andere um, und schon wurde der Satz: Ich flehe denjenigen, welcher dieses Dokument liest, an, die Pflicht des Boten zu übernehmen. Dafür erteile ich ihm meinen Segen … zu: Gesegnet seist du, der du diese Zeilen liest.
    Pausho hatte nicht gelogen.
    Im Grunde hatte Matthias immer noch gehofft, daß die Alte ihn anschwindelte. Denn wenn sie in bezug auf die Worte die Wahrheit gesagt hatte, waren vielleicht auch ihre übrigen Behauptungen wahr.
    Vielleicht hätte er wirklich nicht leben dürfen.
    Vielleicht war er wirklich Dämonenbrut.
    Aber wenn er tatsächlich böse war, was waren dann die Fey?
    Noch wußte Matthias die Antwort nicht, aber er ahnte, daß er sie schon bald in jenen losen Blättern finden würde.

 
2
     
     
    Die Wachen schritten Rugad auf der Treppe voran. In diesem ältesten Teil des Palastes gab es so viele versteckte Korridore und verschlungene Wege von einem Ort zum anderen, daß Rugad daraus schloß, daß es auch in der Geschichte der Blauen Insel Kriege oder zumindest Intrigen gegeben haben mußte.
    Es gab vieles, über das dieses Volk lieber schwieg, und das beunruhigte Rugad. Er hatte eine lange Unterredung mit Tel, dem Doppelgänger, geführt. Rugad war sehr vorsichtig gewesen und hatte gehörigen Abstand von Tels Zellengitter gehalten. Nicht, daß der Doppelgänger irgendwelche faulen Tricks versucht hätte. Selia hatte Tel mit Hilfe ihrer magischen Fähigkeiten eine derartig panische Angst vor jeder Berührung eingeflößt, daß Rugad Selia bitten wollte, die Verwünschung ein wenig zu mildern. Tel konnte es kaum ertragen, mit dem Rücken die Wand oder mit seinen Beinen die Stuhlbeine zu berühren. Selias Hexenbann war viel zu stark. Rugad hatte den Verdacht, daß Tel sogar vor dem Gefühl des Essens in seinem Mund zurückschreckte, und das war nicht in Rugads Sinne. Im Moment brauchte er den Doppelgänger noch lebendig.
    Tel hatte Rugad sämtliche Rituale des Tabernakels erläutert. Außerdem hatte er Rugad alles über die Religionsgeschichte der Blauen Insel erzählt, woran er sich erinnerte, und ihm den Ablauf des Gottesdienstes rezitiert. Dieser kam Rugad allerdings reichlich albern vor, dummes Geschwätz, das höchstens für die Gläubigen irgendeine Bedeutung besaß. Trotzdem hatte Rugad sich vorgenommen, gründlich darüber nachzudenken, ob nicht die eine oder andere Information nützlich sein konnte.
    Leider war die Inselreligion ziemlich kompliziert. Rugad hatte gehofft, er brauche einfach nur jemanden zu befragen, der sich damit auskannte, und käme auf diese Weise ganz rasch hinter das Geheimnis der Inselbewohner und ihrer Magie.
    Bis jetzt hatte Rugad allerdings nur begriffen, daß die
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