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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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sie hätten es ihm gesagt.
    Oder etwa nicht?
    Aber bis in diese Gegend war noch kein Fey vorgedrungen. Hierher, wo die Berge blutrot schimmerten.
    Was hatte seinen Großvater davon abgehalten?
    Was hatte seinen Urgroßvater davon abgehalten?
    Die Entfernung?
    Oder etwas anderes, weniger Sichtbares?
    Etwas wie eine Grenze.
    Etwas wie ein Bann.

 
4
     
     
    Ein Stöhnen weckte Nicholas. Er drehte sich auf die Seite und sah seine Tochter an. Die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. Sie hatte einen Arm unter den Kopf gelegt. Sie war viel zu dünn, und trotz der viertägigen Ruhepause lagen tiefe Schatten um ihre Augen.
    In der Höhle war es überraschend warm. Während der Nacht hatte Nicholas sogar seine Decke abgestreift. Das Lagerfeuer, das die Schamanin in Gang hielt, brannte immer noch am Eingang der Höhle, aber von ihr selbst war nichts zu sehen. Das schwache goldene Licht, das von außen hereindrang, verriet ihm, daß der Morgen bereits dämmerte.
    Wieder meinte Nicholas, ein Stöhnen zu hören, aber Arianna hatte sich nicht bewegt. Er sorgte sich um sie. Die Schamanin hatte gesagt, Ariannas häufiger Gestaltwandel in den letzten Tagen hätte sie erschöpft, aber Nicholas fragte sich, ob nicht noch mehr dahintersteckte.
    Der Verlust ihres Zuhauses und des geliebten Bruders Sebastian zum Beispiel.
    Sebastian war nicht ihr richtiger Bruder, das hatte Nicholas erst vor zwei Wochen selbst erfahren müssen. Er war ein Wechselbalg, den Jewels Vater damals beim Raub von Nicholas’ richtigem Sohn Gabe zurückgelassen hatte. Gabe war unter Fey aufgewachsen, und Nicholas hatte ein Kind großgezogen, einen begriffsstutzigen, sanftmütigen Jungen, der in Wirklichkeit ein Stein war.
    Vor einer Woche war der Stein in einem gleißend hellen Lichtstrahl geborsten, als Sebastian Nicholas vor den Klingen der Garde des Schwarzen Königs schützen wollte. Nicholas hatte der Verlust seines Sohnes schmerzlich berührt, Arianna aber war davon zutiefst verstört.
    Sie hatte Sebastian über alles geliebt.
    Wenn Arianna nicht gestöhnt hatte, dann mußte das Geräusch von draußen kommen.
    Von der Schamanin.
    Nicholas erhob sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Die Schamanin überraschte ihn immer wieder aufs neue und hatte nicht nur einmal, sondern wiederholt, für ihn und gegen die Fey Partei ergriffen. Sie hatte Ariannas Leben gerettet, als Jewel bei der Geburt gestorben war, und Nicholas Ratschläge erteilt, als alle anderen schwiegen. Manchmal kam es Nicholas fast so vor, als sei sie die einzige, die noch an seine und Jewels Zukunftsvisionen glaubte. Nicholas und Jewel hatten sich erhofft, daß sie in der Lage sein würden, den Schwarzen König zu besiegen und die Blaue Insel unversehrt zu erhalten, wenn sich das Volk der Blauen Insel und die Fey zusammentaten.
    Aber die Blaue Insel war nicht mehr unversehrt. Der König dieser Insel hauste in einer Höhle. Die Hauptstadt war in Flammen aufgegangen, ein großer Teil der Inselbevölkerung erschlagen. Jetzt lebte der Schwarze König im Palast, aber es ging ihm nicht gut. Bei ihrer ersten und einzigen Begegnung hatte Nicholas ihn fast getötet.
    Und dabei Sebastian verloren.
    Vor der Höhle sah Nicholas die Schamanin auf ihrem Lieblingsfelsen sitzen. Falls sie eben in Schwierigkeiten gewesen sein sollte, so war jetzt nichts mehr davon zu erkennen.
    Nur …
    Nur der Schnee zu ihren Füßen war aufgewühlt.
    Hatte sie eine weitere Vision gehabt? Falls ja, würde sie ihm zur rechten Zeit davon erzählen.
    Nicholas hatte auch gelernt, darauf zu vertrauen.
    Er zog seine Stiefel an und stellte Ariannas Schuhe neben ihren Schlafplatz, für den Fall, daß sie erwachte. Wie alle Gestaltwandler empfand sie tiefe Abscheu vor allem, was sich binden ließ oder bindend war: Schuhe, Kleidung, Regeln. Nicholas hatte dies besonders in den letzten Tagen ziemlich anstrengend gefunden, denn er machte sich im Moment große Sorgen um ihre Gesundheit.
    Arianna hatte sich nicht gerührt, aber ihre Brust hob und senkte sich, während sie im Schlaf schwer atmete. Nicholas wollte sie keinesfalls stören. Noch nicht. Außerdem hatte er insgeheim einige Entscheidungen getroffen, die er mit der Schamanin besprechen wollte, bevor Arianna erwachte.
    Nach ihrer Ankunft in der Höhle hatte er drei Tage lang nicht schlafen können. Er wußte, daß es ihm irgendwie gelingen mußte, den Schwarzen König von der Insel zu vertreiben. Er spielte mit dem Gedanken, eine Armee um sich zu scharen, um die Fey mit ihren
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