Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
Vom Netzwerk:
eigenen Methoden zu bekämpfen.
    Ein Plan, der nicht funktionieren würde. Während der ersten Invasion hatten die Inselbewohner zwar einige Erfahrung darin erworben, ihr eigenes Land zu verteidigen, aber sie waren von Natur aus nicht kriegerisch.
    Nicholas fiel nur eine einzige andere Lösung ein, und die behagte ihm ganz und gar nicht.
    Er hoffte, daß die Schamanin vielleicht noch eine andere Idee hatte.
    Nicholas warf sich den Umhang, den Arianna für ihn gestohlen hatte, über das Hemd und die Hose, die ebenfalls sie beschafft hatte, und ging dann vor die Höhle, um sich das Gesicht mit Schnee zu waschen. Seit Tagen fühlte er sich schmutzig, und er sehnte sich viel mehr nach den Annehmlichkeiten des Palastes in Jahn, als er sich eingestehen wollte.
    »Über dem Feuer sind Wurzeltee und Pilzbrei«, sagte die Schamanin, ohne sich umzudrehen. Seit ihrer Ankunft bereitete sie ihnen kräftigende Mahlzeiten. Nicholas hatte sich um ihren Vorrat an Lebensmitteln Sorgen gemacht, aber die Schamanin hatte ihn nur milde angelächelt. Als er jedoch beharrlich weiter fragte, antwortete sie ihm, daß sie etwas weiter unten, unterhalb der Baumgrenze, genügend nahrhafte Pflanzen für sie alle finden konnte.
    »Danke«, sagte er. Er ergriff den einzigen Teller und Löffel, füllte die Tasse mit dem Brei und begann zu essen. Nachdem er seine Mahlzeit beendet hatte, schmolz er Schnee im zweiten Topf und reinigte den Löffel. Anschließend legte er ihn auf den Felsen, wo Arianna ihn finden würde. Dann säuberte er die Tasse, goß Wurzeltee hinein und trank.
    In den letzten Tagen hatte er sich an die Bitterkeit dieses Getränks gewöhnt und fand allmählich sogar Geschmack daran.
    Er spülte die Tasse aus, stellte sie neben den Löffel und trat neben die Schamanin, die ihn aufmerksam musterte. Nicholas wußte genau, was sie sah. In den letzten beiden Wochen war er gealtert. Außerdem hatte er an Gewicht verloren, sein Gesicht wirkte knochig. Ein Netz feiner Fältchen rund um die Augen verlieh ihm einen besorgten Ausdruck. Das blonde Haar, früher von der Farbe der Sommersonne, schien sich zu lichten, und plötzlich waren die ersten silbernen Strähnen zu sehen.
    Am vergangenen Abend hatte die Schamanin eine Bemerkung darüber gemacht. Sie hatte gesagt: »Das, was du durchgemacht hast, kann kein Mensch durchstehen, ohne daß er davon Spuren auf seinem Gesicht trägt.«
    Nicholas fragte sich, ob ihre zahlreichen Falten die gleiche Ursache hatten. Seit er sie zum ersten Mal getroffen hatte, kurz vor seiner Hochzeit mit Jewel, hatte sie sich nicht im geringsten verändert. Ihr Haar war weiß und rahmte ihren Kopf wie ein weißer Lichtschein ein. Inmitten all der Falten bildete ihr Mund ein kleines Oval. Nur ihre Augen waren typisch Fey: dunkel, glänzend und energiegeladen. Sie ließen die Schamanin alterslos erscheinen, obwohl Nicholas wußte, daß sie ungefähr so alt wie der Schwarze König war.
    Jung für eine Schamanin, wie sie immer sagte.
    »Guten Morgen«, begrüßte Nicholas sie.
    Die Schamanin klopfte einladend auf den Platz neben sich. »Heute morgen fließt Blut durch die Sonne«, entgegnete sie.
    »Das kommt von den Bränden«, gab Nicholas zurück, während er sich niederließ. Der Schwarze König hatte den größten Teil von Jahn niederbrennen lassen. Die Schamanin hatte Nicholas erklärt, dies sei die Kriegstaktik der Fey. Zerstöre die Städte, in denen sich nutzloser Reichtum angehäuft hat. Laß Felder und Höfe unangetastet. Auf diese Weise vernichtete man die Machtzentren des eroberten Landes und erhielt den Reichtum des Bodens.
    »Vielleicht«, sagte sie, aber es war deutlich, daß sie anderer Ansicht war.
    Nicholas spürte ein leichtes Ziehen im Magen, das gewiß nichts mit der kargen Mahlzeit zu tun hatte, die er gerade zu sich genommen hatte. »Was sollte es denn sonst sein?«
    Mit gesenktem Blick schüttelte die Schamanin den Kopf. Irgend etwas war heute morgen geschehen. Nicholas spürte es genau.
    »Hast du etwas Gesehen?«
    »Nichts, was ich begriffen hätte«, antwortete sie.
    »Also hast du etwas Gesehen.«
    Sie nickte. »Bis jetzt hat sich jedoch nichts ereignet.«
    »Aber du glaubst, das wird nicht mehr lange so bleiben?«
    Die Schamanin blickte ihn an. In ihren Augen lag eine Traurigkeit, deren Ursache sich Nicholas nicht erklären konnte. »Das hoffe ich«, sagte sie leise.
    Nicholas schwieg einen Augenblick. Er mußte unbedingt mit ihr reden, aber sie war in einer sonderbaren Stimmung. Er seufzte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher