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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen
Autoren: Donna Leon
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    »... und dann hat meine Schwiegertochter mich bekniet, damit ich in die Questura komme und es Ihnen melde. Ich wollte eigentlich nicht, und mein Mann sagte, ich war schön blöd, wenn ich mich mit Ihnen einließe, weil das nur Scherereien brächte, und davon hätte er im Moment weiß Gott genug. Es würde genauso enden wie damals, hat er mir prophezeit, als der Nachbar von seinem Onkel dem die ENEL-Leitung angezapft und ihm den Strom geklaut hatte. Der Onkel hat die Polizei alarmiert, aber als die dann kam, haben sie ihm gesagt, er muß -«
    »Verzeihen Sie, Signora, aber könnten wir wieder auf das zurückkommen, was letzten Monat passiert ist?«
    »Ja doch, natürlich, es ist nur so, daß er, also der Onkel, am Ende um dreihunderttausend Lire ärmer war.«
    »Signora!«
    »Also meine Schwiegertochter hat gesagt, wenn ich's nicht mache, dann würde sie selber anrufen. Und da schließlich ich diejenige war, die's gesehen hat, ist es wohl besser, Sie hören's von mir, nicht wahr?«
    »Gewiß.«
    »Ja, und als das Radio heute morgen Regen ansagte, da habe ich Schirm und Stiefel an der Tür bereitgestellt, für alle Fälle. Aber dann hat's doch nicht geregnet, stimmt's?«
    »Nein, Signora. Aber wollten Sie mir nicht von ungewöhnlichen Vorkommnissen berichten, die Sie in der Wohnung gegenüber beobachtet haben?«
    »Ja, dieses Mädchen.«
    »Was für ein Mädchen, Signora?«
    »Na, das junge Ding, die Schwangere.«
    »Wie jung war sie Ihrer Meinung nach, Signora?«
    »Ach, siebzehn vielleicht, oder etwas älter, kann aber auch jünger gewesen sein. Ich habe zwei Söhne, wissen Sie. Also wenn's ein Junge gewesen wäre, hätte ich mich ausgekannt, aber es war nun mal ein Mädchen.«
    »Und Sie sagten, daß die junge Frau schwanger war, Signora?«
    »Ja, und stand kurz vor der Geburt. Darum habe ich's ja meiner Schwiegertochter erzählt, und die meinte, ich müsse kommen und es Ihnen melden.«
    »Daß sie schwanger war?«
    »Daß sie entbunden hat.«
    »Aber wo denn, Signora?«
    »Na, gleich bei mir gegenüber, in unserer calle. Also natürlich nicht draußen auf der Gasse, sondern in der Wohnung auf der anderen Straßenseite. Von mir aus liegt die ein wenig versetzt, eigentlich schon auf der Höhe vom Nebenhaus, aber weil das Gebäude ein bißchen vorsteht, kann ich in die Fenster schauen, und da habe ich sie gesehen.«
    »Wo ist das genau, Signora?«
    »Calle dei Stagneri. Kennen Sie bestimmt. In der Nähe von San Bortolo, die calle, die zum Campo della Fava führt. Ich wohne auf der rechten Seite, und das Mädchen war links, auf derselben Seite wie die Pizzeria, nur, genau wie ich, weiter unten, schon fast an der Brücke. Früher gehörte die Wohnung einer alten Frau - ihren Namen weiß ich nicht mehr -, aber als die gestorben war, erbte ihr Sohn, und der vermietet die Räume unter der Hand, wochenoder monatsweise: an Ausländer, wie das heute so üblich ist, Sie wissen ja.
    Als das Mädchen drüben auftauchte und ich sah, daß sie schwanger war, dachte ich, er würde jetzt vielleicht offiziell vermieten, also mit Vertrag und allem Drum und Dran. Und wenn die Kleine ein Kind bekam, dann war sie doch wohl eine von uns und keine Touristin, oder? Kurzfristig zu vermieten rentiert sich allerdings bestimmt mehr, besonders an Ausländer. Und dann spart man sich ja auch die ...
    Oh, tut mir leid. Das gehört wohl nicht hierher, wie? Also wie ich schon sagte, sie war schwanger: Deshalb dachte ich zuerst, er hat vielleicht an ein junges Paar vermietet, bis ich feststellte, daß nie ein Mann bei ihr war.«
    »Und die junge Frau, wie lange hat sie denn dort gewohnt, Signora?«
    »Oh, höchstens eine Woche. Aber lange genug, daß ich ihre Gewohnheiten kennenlernen konnte.«
    »Und könnten Sie mir die schildern?«
    »ihre Gewohnheiten?« »Ganz recht.«
    »Nun ja, allzuoft habe ich sie nicht gesehen. Nur wenn sie am Fenster vorbei in die Küche ging. Nicht, daß sie je was gekocht hätte, zumindest habe ich nichts davon mitbekommen. Aber ich kenne ja die übrige Wohnung nicht; keine Ahnung, was sie dort gemacht hat. Ich vermute mal, sie hat einfach gewartet.«
    »Gewartet?«
    »Ja, auf das Baby. Kinder entscheiden selbst, wann sie zur Welt kommen.«
    »Ich verstehe. Hat die junge Frau Sie denn je bemerkt, Signora?«
    »Nein. Ich habe Vorhänge, wissen Sie, aber da drüben gibt's keine. Die calle ist ja auch so dunkel, daß man sich eigentlich nicht gegenseitig in die Fenster schauen kann. Doch vor etwa zwei Jahren oder wann
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