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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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erschrockenen Schrei die Hand weg. Begleitet von Schwefelgeruch und ein wenig Rauch, verwandelte sich das Licht in eine winzige, nackte Frau, aus deren Rücken schimmernde Flügel wuchsen. Ihre Haut war dunkler als seine eigene, ihre Brauen dramatisch geschwungen, und ihre Augen funkelten so lebendig wie die Lichtpünktchen selbst.
    »Getroffen«, sagte sie.
    Seine Fingerspitze schmerzte, und er schniefte. Dann blickte er sich hilfesuchend nach der Kinderfrau um. Ihr Gesicht lag immer noch im Schatten. Sie atmete ruhig. Er wollte, daß sie nach ihm schaute. Aber sie schlief.
    Die winzige Frau landete auf seiner Brust, legte die Hände auf sein Kinn und sah ihm in die Augen. »Ah«, sagte sie. »Alles in bester Ordnung. Er gehört uns.«
    Ihre Hände kitzelten auf seiner Haut. Die anderen Lichter versammelten sich um sie. Mit leisem Knallen verwandelten auch sie sich in geflügelte Menschen, alle dunkel, anmutig und winzig klein. Die Männer trugen dichte Bärte, das Haar der Frauen floß offen über ihre Schultern.
    Sie landeten in der Wiege; ihre nackten Füße hinterließen kaum sichtbare Abdrücke auf der weichen Decke. Sie musterten seine Gesichtszüge, berührten seine Haut, zupften an seinen Ohren, fuhren mit den Fingern die kleinsten Einzelheiten nach.
    »Er ist einer von uns«, verkündete die Frau.
    »Seine Haut ist hell«, widersprach einer der Männer.
    »Heller«, berichtigte ein anderer. Ihre Stimmen waren so fein und silbrig wie Glöckchen.
    Im Nachbarzimmer lachte seine Mutter. Er wandte den Kopf zu dem Geräusch hin und warf dabei einige der kleinen Wesen über den Haufen. Wieder lachte seine Mutter tief und kehlig.
    »Nicholas, die Geburt liegt erst wenige Tage zurück!«
    Jetzt lachte auch sein Vater.
    Die kleinen Leute rappelten sich wieder hoch. Einer der Männer trat nahe an ihn heran. Er kniff die Augen so eng zusammen, daß sie fast nicht mehr zu erkennen waren. »Seine Nase zeigt aufwärts.«
    »Wirklich?« antwortete die Frau mit den schwirrenden Flügeln.
    »Unsere Nasen sind gerade.«
    »Er muß doch auch Inselblut in sich haben.«
    »Rugar hat gesagt: Wenn er keine Magie besitzt, laßt ihn, wo er ist.«
    Die kleine Frau stemmte die Hände in die Hüften. »Seht euch diese Augen an. Wie hell sie sind. Und dann erzählt mir noch mal, daß er keine Magie besitzt.«
    »Wenn sich das Blut vermischt, wird die Magie sogar noch stärker«, meinte eine andere Frau.
    Das Lachen seiner Mutter kam näher. »Nicholas, laß uns den Kleinen noch einmal ansehen. Vielleicht wissen wir dann, wie wir ihn nennen sollen.«
    Die kleinen Leute erstarrten. Seine Hände griffen immer noch in die Luft. Außerhalb der Wiege war es kalt. Die kleinen Leute verbreiteten eine herrliche Wärme.
    »Warte noch einen Augenblick«, bat sein Vater.
    »Die Heilerin hat gesagt …«
    »Zur Hölle mit den Heilern.«
    Die kleinen Leute zögerten einen Moment, dann schnippte die Frau mit den Fingern. »Schnell«, befahl sie.
    Ihre Flügel schwirrten, und die ganze Truppe schwebte wieder über ihm, so schön anzusehen wie vorher die Lichter. Er wußte nicht, was er von ihnen halten sollte. Sie anzufassen hatte weh getan, aber sie waren so schön.
    So wunderschön.
    Sie schwirrten um ihn herum und hielten Fäden in der Hand, dünn wie Spinnweben. Vor und zurück flogen sie und verwebten die Fäden. Die kleine Frau stand außerhalb des Gespinstes auf dem Kissen neben seinem Kopf und drückte einen winzigen Stein an die Brust.
    »Beeilt euch«, sagte sie.
    »Wirklich, Nicholas.« Wieder lachte seine Mutter. »Hör auf. Das dürfen wir nicht.«
    »Ich weiß«, erwiderte sein Vater. »Aber es macht viel mehr Spaß, als sich zu streiten. Vielleicht sollten wir ihm überhaupt keinen Namen geben.«
    »Stell dir das mal vor«, sagte seine Mutter. »Er ist Großvater, und alle seine Freunde nennen ihn ›Kindchen‹.«
    Die Fäden bildeten jetzt einen weißen Schleier zwischen ihm und der Welt. Der Schatten auf dem Gesicht der Kinderfrau bewegte sich, glitt ein Stück zur Seite und drehte sich nach den kleinen Leuten um.
    »Noch nicht!« sagte die Frau.
    Wieder schob sich der Schatten über das Gesicht.
    Das Gewebe hüllte ihn und seine Decke jetzt vollständig ein. Er fühlte sich warm und sicher. Die kleinen Leute hielten die Zipfel des Gewebes fest und hoben ihn aus der Wiege.
    Endlich konnte er das ganze Zimmer sehen. Es war groß. Seine Kinderfrau saß mit dem Schatten auf dem Gesicht und zuckenden Augenlidern in der Ecke. An der
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