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Feuerschwingen

Feuerschwingen

Titel: Feuerschwingen
Autoren: Jeanine Krock
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lässig auf der Kante eines prunkvollen Schreibtischs saß.Auch so schien der Weg durch den Wandelsaal unendlich lang zu sein. Entweder wollte Luzifer sie beeindrucken oder einschüchtern. Mila tippte auf Letzteres.
    »Das ist also die Cratalis-Hüterin . Niedlich.« Er machte keine Anstalten aufzustehen oder ihr die Hand zu geben, was Mila beinahe ebenso unmöglich fand wie dieses überhebliche Niedlich . Ansonsten war sie wenig beeindruckt.
    Mit Hörnern war nicht zu rechnen gewesen, aber wenigstens Flügel hätte sie erwartet. Stattdessen saß da nun jemand auf dem viel zu großen barocken Tisch, etwa in Lucians Alter, mit einer gewissen Ähnlichkeit mit Arian – was ihn, zugegeben, nicht zu dem hässlichsten aller Kerle machte –, aber mit null Ausstrahlung und dem Charme eines Oberamtmannes zu Kaisers Zeiten .
    Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, da weiteten sich seine Augen, und für die Dauer eines Herzschlags glaubte sie, Überraschung darin zu entdecken. Sein lautes Lachen ließ sie zusammenzucken, und als sie Lucian einen ratlosen Blick zuwarf, war der auffällig blass geworden.
    Gedankenlesen , schoss es ihr durch den Kopf. Verdammt, er kann meine Gedanken lesen! Allzu selbstgefällig war sie davon ausgegangen, dass ihre Schutzmechanismen ausreichten. Wie peinlich! Vermutlich sollte ich um Verzeihung bitten, aber dann dreht Lucian durch. Nur zu gut erinnerte sie sich an seine ständigen Ermahnungen, sich bloß nicht zu entschuldigen und niemandem zu danken, in dessen Schuld sie nicht stehen wollte. Luzifer wollte sie ganz gewiss nichts schuldig sein. Welch ein Schlamassel!
    Der Lichtbringer überraschte sie erneut, indem er auf einmal viel vitaler wirkte. Die Aura der Macht umgab ihn wie eine unsichtbare Hülle. Das feine Gespinst aus Linien wahrzunehmen, die bei genauem Hinsehen das jung erscheinende Gesicht überzogen, weigerte sie sich einfach.
    »Wir sind gleich alt«, sagte er und bestätigte damit ihre Befürchtungen. »Du brauchst nicht um Vergebung bitten. Ich bin froh, dass es mir gelungen ist, deine Ängste ein wenig zu zerstreuen. Die meisten Besucher sind jämmerliche Angsthasen, musst du wissen. Oder noch schlimmer, sie sind Aufschneider. Setzt euch doch.«
    Er machte eine einladende Handbewegung, und sie fand sich auf einem eleganten kleinen Sofa wieder. Erleichtert spürte sie Lucian an ihrer Seite. Der Lichtbringer saß ihnen gegenüber. Er schlug ein Bein über, griff nach einer zierlichen Handglocke, die neben ihm auf dem Beistelltisch stand, und läutete.
    »Signora, Champagner!«, sagte er zu einem der erotischsten Geschöpfe, das Mila jemals gesehen hatte. »Und bringen Sie ein Glas für sich selbst mit, wir haben etwas zu feiern, wenn ich mich nicht irre.«
    »Sehr wohl.« Mit diesen Worten verschwand das fabelhafte Wesen.
    So also sehen Dämoninnen aus? Der Geruch von Brimstone war kaum wahrnehmbar, aber ohne Zweifel vorhanden.
    »Signora Tentazione ist einzigartig«, sagte Luzifer schmun zelnd. »Aber lasst uns über euch sprechen. Mila, mein Engel, gewiss hast du eine Menge Fragen?«
    Da sagte er was. Hunderte Fragen hätte sie ihm stellen können. Eine lag ihr besonders am Herzen, doch das musste sie ihm ja nicht auf die Nase binden. Mila faltete bescheiden die Hände in ihrem Schoß und sagte: »Was hat es mit Cratalis auf sich?«
    Er lächelte, und Mila bekam eine Gänsehaut. »Es existiert eine Legende, in der davon gesprochen wird, dass die Erdelementarwesen einen Teil des Schöpfungsfeuers gestohlen und an einem unbekannten Ort versteckt haben. Beweise gab es dafür nie, und irgendwann galt das Incendio , sofern überhaupt vorhanden, als verloren. Später war von Drachen die Rede, Alchemie und Allmacht. In Wahrheit enthält Cratalis eine Essenz jener elementaren Energie, die sich heute noch auf der Erde zuweilen als Vulkanausbruch zeigt. Doch niemand glaubt mehr an seine Existenz. Durival schon. Sein rechtmäßiger Erbe scheint das erste Produkt einer langen Reihe vergeblicher Versuche zu sein, Cratalis wiederzuerschaffen. Du, Miljena, und sein Sohn Noth, ihr seid die einzigen Überlebenden.«
    »Ich bin jetzt aber nicht mit ihm verwandt?«, platzte es aus ihr heraus. Im selben Augenblick hätte sie sich auf die Zunge beißen können. Bin ich gerade Luzifer ins Wort gefallen? Besorgt sah sie Lucian an, der anstelle einer Antwort nur beruhigend lächelte.
    Luzifer war dieser Austausch nicht entgangen. Erstaunlicherweise wirkte er erfreut. »Nein, ihr seid nicht
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