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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau
Autoren: Federica de Cesco
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gewaltsam rissen wir uns voneinander los; starrten uns an wie benommen, bevor Amadeo sich Manuel zuwandte, ihn fest und sehr lange in die Arme schloß.
    »Ich mag Leute, die unerwartet kommen«, sagte er.
    Sie lächelten beide, mit der gleichen Verwirrung.
    »Es sollte eine Überraschung sein«, sagte Manuel.
    »Die ist euch geglückt. Wie findet ihr Thyfos?«
    »Er galoppiert nicht«, sagte ich. »Er fliegt.«
    Amadeos Lächeln blieb auf seinem Gesicht wie ein ferner Schimmer.
    »Er ist schön, nicht wahr? Schöner als irgendein Traum.«
    Er hatte leise gesprochen, mit halb geschlossenen Augen, als spüre er noch den Wind bei seinem Ritt. »Er ist eigenwilliger als Quasimodo, etwas nervöser auch. Aber er lernt schnell.« Er schnippte mit dem Finger. Ein Stallbursche eilte mit einem Handtuch herbei. Amadeo rieb sich den Oberkörper trocken, warf das Handtuch über seine Schultern.
    »Quasimodos Schädel habe ich im ›Mas du Drac‹ an der Wand befestigt, neben Lyuba und Tarasque. Jetzt beschützt er mit ihnen das Haus.« Amadeo zeigte flüchtig die weißen Zähne.
    »Mit zunehmendem Alter vermehren sich unsere Schutzgeister. Und eines Tages werden auch wir unsere Nachkommen beschützen.«
    Ich sagte:
    »Deswegen sind wir hier, Amadeo.«
    Er sah mich scharf an.
    »Herzblume, was willst du damit sagen?«
    »Ich erwarte ein Kind. Schon im vierten Monat.«
    Er trat dicht an mich heran, legte beide Hände auf meine Schultern.
    Seine Augen weiteten sich und wurden tiefschwarz. Ich sah eine eigentümliche Freude darin, eine Freude, die nur ich mit ihm teilen konnte.
    Sie kam von weither, aus den tiefen Schichten unserer Sehnsucht, aus verdrängten Wünschen und alten Träumen.
    »Ich habe immer gehofft«, sagte er kehlig, »daß die Wurzeln des Baumes das Leben in sich tragen.«
    Meine Augen wurden heiß, als ich ihn die Worte sprechen hörte, mit denen die Romanos eine werdende Mutter ehren. Er zog mich an sich. Ein paar Atemzüge lang hielten wir uns eng umschlungen. Ich rieb meine Wange an seiner klammen Brust, küßte die Stelle, wo sein Herz unter meinen Lippen schlug. Dann hob ich das Gesicht zu ihm.
    »Und du fragst nicht, Amadeo, von wem dieses Kind ist?«
    Jetzt lachte er, leise und rauh, warf Manuel einen funkelnden Blick zu.
    Das Lachen vertiefte seine Falten, gab ihm gleichzeitig etwas Jungenhaftes.
    Dann sah er wieder zu mir herüber.
    »Wozu, Herzblume? Es wird zwei Väter haben. Einer wird immer da sein, wie eine Lampe, die beständig brennt. Der andere wird kommen und gehen, wie ein Scheinwerfer.«
    Er sprach mit großer Zärtlichkeit.
    »Das Kind wird viel lernen dabei.«
    Amadeo nickte.
    »Frei zu werden ist mühsam. Man kann es nicht in einem Tag werden.
    Wir werden es unserem Kind beibringen – schon früh.«
    Manuel lächelte.
    »Jeder Mensch findet früher oder später die richtige Art zu leben.«
    Amadeo lächelte auch, fast ohne es zu merken.
    »Eine extreme Art der Unangepaßtheit?«
    »Ich für mein Teil glaube, daß es die einzige Art ist.«
    Amadeos Lächeln erlosch. Etwas wie Schmerz huschte über sein Gesicht.
    »Du hast recht. Das führt uns zu dem Ursprung zurück. Wir werden weiterleben, nicht immer zusammen, aber niemals getrennt. Bist du damit einverstanden, mein Bruder?«
    Ihre Blicke hielten einander fest. Dann sagte Manuel langsam und ruhig:
    »Nicht mit dir und nicht ohne dich, Amadeo.«
    Und noch leiser und sanfter fügte er hinzu:
    »Mein Bruder.«
    Unter der Zeltkuppel brandete Applaus. Amadeo warf einen Blick in die Manege. Trommeln schlugen im stampfenden Rhythmus: Die Reiter aus dem Hindukusch, mit einem Fuß im Steigbügel hängend, trieben ihre Pferde zur höchsten Geschwindigkeit an. Ein atemloser Stallbursche kam in den Sattelgang. Er führte ein frisches Pferd am Zügel, einen Fuchs, kirschrot schimmernd, mit goldener Mähne. Es war der Lusitanerhengst, mit dem Amadeo durch den brennenden Reifen ritt.
    »Er heißt Soltero – der Einsame«, sagte Amadeo.
    Das Tier war schon gesattelt. Amadeo ging langsam um das Pferd herum, prüfte Zaumzeug, Sattel und Gurte. Dann blieb er dicht vor Soltero stehen. Mit einer Hand umfaßte er dessen Unterkiefer, während er ihn gleichzeitig mit der anderen oberhalb der Nüstern umfaßte. Das Pferd hielt still; seine Augen schimmerten stolz und ruhig. Amadeo legte das Gesicht an den Kopf des Hengstes, blies langsam und tief seinen Atem aus; es war, als ob er dem Tier seinen eigenen Lebenshauch schenkte. Dann nickte er dem Stallburschen
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