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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau
Autoren: Federica de Cesco
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Hornisse über der Kraterlandschaft kreiste. Die Rotorblätter wirbelten Windstöße auf, das Dröhnen und Knattern schallte weit bis ins Tal. Kurz vor der Mittagspause kehrte Ruhe ein. Die TV-Leute packten ihr Material in ihren Combiwagen und räumten das Feld. Dafür waren jetzt Touristen da, die picknicken wollten und die wir freundlich, aber unerbittlich von dem Schlot fernhalten mußten.
    Inzwischen floß die Lava zäh und beständig über den Hang. Sie war an vielen Stellen dunkelrot, was bedeutete, daß sie schnell abkühlte. Fraß sich das Magma durch die Büsche, waren prasselnde Geräusche zu hören, mit dem Poltern und Sirren des sich lösenden Gesteins vermischt. Manchmal führte die Glut mumienhaft verschrumpelte Tiere mit sich: Vögel, Eichhörnchen oder Eidechsen. Und bei den Gasproben stellten wir einige starke Schwefelabsonderungen fest.
    Manuel störte mich nie bei der Arbeit; er hielt sich abseits auf, verglich die verschiedenen Strukturen der Lava, oder saß einfach da, in die Betrachtung der Glutströme vertieft. Er hing seinen Gedanken nach, mit der Selbstvergessenheit und Geduld des Künstlers, ließ die Schönheit und den Schrecken der Naturgewalten auf sich einwirken.
    Der Nachmittag ging zu Ende. Über den Berghang wehten aprikosenfarbene Schleier. Gestern war der Tag klar gewesen, während heute der Sonnenuntergang, gemischt mit der Aura der Feuerflüsse, ganz seltsame Bilder zeigte. Die Fotografen drückten unentwegt auf ihre Auslöser. Trug der Wind die Schwefeldämpfe über den Hang, preßten sie ein Taschentuch vor Mund und Nase und warteten, hustend und tränend, bis sich die Nebel lösten. Das Licht schimmerte orangerot; die ganze Landschaft war wie in Gold getaucht. Um die Kiefer herum stand die Hitze wie eine flimmernde Wand; die seltsam verzerrten Äste gaben dem Baumgerippe die Form eines Riesen, der um Hilfe schrie und beide Arme verzweifelt zum Himmel streckte.
    Plötzlich hörte ich Helmuts Stimme neben mir. Im Laufe unserer Arbeit waren wir uns nähergekommen. Er war heiter und umgänglich, ein Mensch, der viel gesehen und erlebt hatte. Aber Leichtsinn konnte er nicht ausstehen.
    »Was ist das für ein Idiot, der auf den Steinen herumturnt?« Ich folgte seinem Blick und traute meinen Augen nicht: Martin stieg über die Felsen, die wie kleine Inseln aus dem glasigen Magma ragten, setzte mit großer Bestimmtheit seinen Weg bis unterhalb des Schlotes fort. Der Felsabbruch ragte über ihm empor, schillerte dort oben in Safran und Rosenrot, wundervolle Farben zwar, aber das Ganze war völliger Irrsinn.
    »Ein ehemaliger Freund. Er arbeitet für National Geographie.«
    »Ehemalig könnte das passende Wort sein.« Helmut sprach schnell und entschieden. »Wenn jetzt heiße Luft aus dem Krater quillt, wird er wie ein Brathähnchen geröstet.«
    »Er gilt als waghalsiger Typ. Aber eigentlich sollte er wissen, was er tut.«
    »Und die Windrichtung beachten. Fotografen sind potentielle Selbstmörder. Sie sehen die Welt durch ihre Sucher, bringen sich für einen Farbfilm in Lebensgefahr. Ich wette, er ist Junggeselle oder kinderlos geschieden.«
    Ich lächelte flüchtig.
    »Das zweite trifft zu.«
    Manuel trat zu uns und sagte:
    »Ich glaube, er will die Kiefer im Gegenlicht fotografieren.«
    »Wenn ihm Zeit dazu bleibt«, sagte Helmut trocken.
    Die Sonnenscheibe war von einer seltsamen Farbe: ein ins Schwärzliche spielender Purpur. In den Tälern züngelten blutrote Flammen. Ein Leuchten fiel auf geheimnisvolle Weise gleichsam aus den Luftströmungen herab, überzog den Berg mit einem goldenen Netz, in dem alle Schatten und Gestalten gefangen schienen. Martin war auf einer Felsinsel in die Hocke gegangen. Die Fototasche hatte er neben sich gestellt, während er mit einem kleinen Stativ fotografierte.
    Ich sagte:
    »Der Kerl ist verrückt leichtsinnig. Deswegen werden seine Bilder auch so gut, das muß man ihm lassen.«
    Beim Sprechen rieb ich mir unwillkürlich die Knie. Manuel fragte:
    »Hast du immer noch Schmerzen in den Gelenken?«
    »Ja, von der Kälte.«
    »Gleich nimmst du eine warme Dusche.«
    »Bestimmt.«
    Was war das? Da hatte doch jemand gerufen? Nicht gerufen, nein, geschrien. Im selben Atemzug sahen wir die Lavafront aus dem Krater dringen wie Zahnpasta, die plötzlich aus einer Tube quillt. Ein Wirbel heißer Luft kam aus dem Spalt, schnellte talabwärts, vom Wind getragen.
    Es war ein Zittern der Vibration aus den tiefen Kraterkammern, eine Lohe, vor der jedes Geschöpf
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