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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau
Autoren: Federica de Cesco
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aus Fleisch und Blut zurückschaudern mußte. Die Urplötzlichkeit des Geschehens war grauenhaft.
    Martin taumelte, rang verzweifelt nach Atem. Stativ und Fototasche kippten in die Glut; Kameras, Teleobjektive, Linsen und Filmrollen wurden von dem Feuerstrom fortgeschwemmt. Die meisten am Berghang standen wie gelähmt, einige stürzten vorwärts, kehrten sich hustend und würgend von dem Lavastrom ab. Rufe und Schreie gellten von allen Seiten.
    »Was sollen wir machen?«
    »Was wollt ihr machen?«
    »Man muß ihn holen!«
    »Worauf wartet ihr noch?«
    »Verdammter Idiot!« kreischte ich.
    Ich rannte los, stolperte, hielt mich an einem Felsbrocken fest. Martin lag auf der Steinplatte, sich windend, krallte beide Hände in Windjacke und Pullover, um sich die Kleider vom Leib zu reißen und Luft zu bekommen.
    Im Laufen zog ich die kleine Maske vor meinen Mund; sie würde mich behindern, aber den Schwefeldämpfen war ich nicht gewachsen. Nur ich war fähig, Martin zu retten, wenn es nicht schon zu spät war. Doch ich mußte vorsichtig sein: Zerriß die rauhe Haut des Lavastroms durch das Vordringen der Glut, bildeten sich Platten, die fest zusammengepreßt wurden. Aber sie waren trügerisch. Ich wollte kein Risiko auf mich nehmen, lieber auf den Felsen bleiben. Ich erfaßte das alles mit einem Blick. Atemlos schleuderte ich meine dicken Turnschuhe von den Füßen, die Strümpfe auch. Was noch? Ach ja! Die Kleider durften nicht mit der Glut in Berührung kommen. Hastig krempelte ich meine Jeans hoch. Die anderen mußten denken, ich sei wahnsinnig.
    »Martin!« schrie ich. »Warte! Ich komme!«
    Ich konnte ihn nicht sterben lassen. Es war genau wie damals, mit Nonna. Nein, nicht ganz. Damals hatte ich nicht das Geringste gespürt.
    Jetzt brannte die Hitze auf meiner Haut, die Schwefeldämpfe erstickten mich fast. Die verdammte Maske nützte überhaupt nichts; wütend schleuderte ich sie weg. Irgendwie würde ich es auch ohne sie schaffen.
    Martin lag da, von Zuckungen geschüttelt, das verzerrte Gesicht kaum erkennbar. Was, wenn ich nicht die Kraft hatte, ihn zu stützen? Keine Zeit, darüber nachzudenken. Jetzt mußte gehandelt werden, rasch. Hinter mir brüllten alle und taten wie verrückt. Ich kümmerte mich nicht um sie.
    Stapfte weiter, der Glut entgegen. Schon fand ich die ersten Schlacken, ging vorsichtig weiter, als ein entsetzlicher Schmerz durch meine Fußsohle zuckte. Ich schrie leicht auf, hob das Bein, fuhr mit der Hand über die schmerzende Stelle. Blut! Das war unmöglich, undenkbar. Ich hatte niemals etwas gespürt, wenn ich diese Dinge tat. Warum ausgerechnet jetzt, wo jede Sekunde zählte? Ich knirschte mit den Zähnen, humpelte weiter, versuchte den starken Rhythmus durch Nase und Mund zu spüren. Die Maschine arbeitete tadellos. Aber plötzlich stimmte nichts mehr. Etwas war vollkommen falsch. Solches hatte ich noch niemals erlebt. Meine Lungen brannten, ich rang nach Atem. Alles verschwand im rötlichen Rauch, der in Schwaden vorüberzog. Ich ging fast blindlings, stolperte und torkelte. Wie viele Sekunden blieben noch? Die Hitze stand vor mir wie eine rotglühende Wand, furchtbar groß – immer größer –, schmerzte ganz entsetzlich auf der Haut, in den Augen, im Gaumen, überall. Alles in mir zitterte. Ich wich zurück, fassungslos, verzweifelt. Ich war von Gluthitze umgeben, innen und außen, mein ganzer Körper war eine brennende Hülle. Ein rauhes Schluchzen kam aus meiner Kehle. Es war vorbei. Ich konnte nicht mehr.
    Schwankend, halb ohnmächtig, taumelte ich gegen einen Felsen, schützte mein Gesicht mit beiden Armen. Das Genick und die Kniegelenke schmerzten, mein verletzter Fußballen klebte vor Blut.
    »Ariana!«
    Eine Stimme, ein Gesicht. Hände und Arme, die mich stützten. Meine Augen klärten sich halbwegs, ich sah Augen vor mir. Manuel! Ich hörte das Geräusch meines eigenen Keuchens. Mein Aufschrei zerriß mir fast die Brust.
    »Ich kann es nicht mehr!«
    Er hielt mich an den Schultern fest und starrte mich an. Seine Augen funkelten, glühten nahezu. Dann glitt sein Blick an mir vorbei, richtete sich auf Martin, der sich kaum noch bewegte.
    »Warte!« keuchte er.
    Und er machte es genau wie ich: riß sich Turnschuhe und Strümpfe von den Füßen, lief barfuß dem Feuerstrom entgegen. Ein dünner, aber entsetzter Schrei entfuhr mir. Durch flimmernde Hitzeschleier sah ich Manuel leichtfüßig über die Steine springen, schon manche vom glühenden Schaum überschwemmt. Doch er bewegte
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