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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut
Autoren: Vonda N. McIntyre
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das Recht dazu hatte, ihn zu benutzen. „Was geschieht mit uns?“
    „Aufregung …“ Sie machte eine Pause. „Ein ganz gewöhnlicher Alptraum …“ Selbstbetrug hatte ihr noch nie gelegen, und jetzt war es zu spät, um damit anzufangen.
    „Es war kein gewöhnlicher Alptraum. Man weiß immer, daß man wieder aufwachen wird, auch wenn man noch so große Angst hat. Aber diesmal … Bis ich dich rufen hörte und fühlte, wie du mich aus dem Wasser zogst, war ich sicher, daß ich sterben würde.“
    Sie schwiegen. Ein angespanntes Schweigen. Er hatte Angst, sie zu berühren, und sie wagte es auch nicht. Nach einer Weile schleuderte sie mit einem Ruck die Decke von sich und packte seine Hand. Er zuckte überrumpelt zusammen, erwiderte dann aber ihren Druck. Mit gekreuzten Beinen hockten sie einander gegenüber, die Hände ineinander verschränkt.
    „Es ist möglich …“ Laenea suchte nach Worten, die sie beide schonen würden. „Es ist möglich … daß es einen Grund dafür gibt … einen wirklichen Grund, meine ich … daß Piloten niemals … daß es keine intime Gemeinschaft zwischen Piloten und Crewmitgliedern gibt.“
    An Radus Gesichtsausdruck erkannte sie, daß auch er an diese Erklärung gedacht und nur gehofft hatte, daß sie eine andere finden würde.
    „Vielleicht gibt es sich … man braucht eventuell eine Akklimatisierung …“
    „Glaubst du das wirklich?“
    Sie strich mit dem Daumen über seinen Knöchel. Seine Pulsschläge zuckten durch ihre Finger. „Nein“, sagte sie flüsternd. Ihr System und das eines normalen Menschen paßten nicht zueinander. Ihre Veränderungen, auf physischem und psychischem Gebiet, waren zu tiefgreifend, zu grundlegend. Wenn normale Biorhythmen so dominant waren, daß sie ihre neue biologische Integrität störten, bestand die Gefahr, daß sie sie schließlich zerstören könnten. Vor dieser unmittelbaren Erfahrung hätte sie das nie akzeptiert. „Nein, ich glaube es nicht. Verdammt, nein!“
    Sie waren völlig erschöpft, konnten aber nicht mehr schlafen. Benommen standen sie auf und zogen sich an. Dabei vermieden sie sorgsam die Nähe des anderen, wie Segelschiffe in rauher See. Laenea wollte Radu spüren, ihn an sich drücken, seine Arme streicheln, ihn küssen und das Kitzeln seines Schnurrbarts spüren. Da sie sich das alles versagen mußte – weniger aus Furcht als aus Zurückhaltung, weil sie weder ihre eigene Stabilität gefährden noch Radu einem neuen Alptraum aussetzen wollte –, begriff sie zum ersten Mal die ungeheure Wichtigkeit einer simplen, ungewollten Berührung, die nichts anderes war als ein momentaner Kontakt, ein momentanes Gefühl der Zugehörigkeit.
    „Hast du Hunger?“ Isolation und Schweigen waren mehr, als sie jetzt ertragen konnte.
    „Ja … ich glaube …“
    Aber während des Frühstücks (es war, wie Radu feststellte, früher Nachmittag) schwiegen sie wieder. Laenea fand es unmöglich, unverbindliche Konversation zu treiben. Radu schob die Bissen auf seinem Teller hin und her und wagte nicht, sie anzusehen. Sein Blick glitt von der Glaswand zum Tisch, zu irgendeinem Möbelstück und wieder zurück.
    Laenea aß ein paar Fruchtstücke mit den Fingern. Alle bisherigen Probleme, wie sie es einrichten konnte, möglichst viel Zeit füreinander zu haben, was sie unternehmen wollten, um die offizielle Mißbilligung ihrer Verbindung zu entschärfen, erschienen ihr jetzt trivial und lächerlich. Die einzige Lösung war jetzt eine sehr drastische, zu der sie sich aber nicht durchringen konnte. Radu dachte ebenfalls daran, das wußte sie. Wenn er bisher noch nichts gesagt hatte, bedeutete das nur, daß es für ihn genauso unmöglich war, Pilot zu werden, wie für Laenea, in ihr normales Leben zurückzukehren. Pilot zu werden, war eine Entscheidung auf Lebenszeit, nicht ein Job, den man annahm, um ein paar Jahre lang zu reisen und Abenteuer zu erleben. Und der Tonfall, in dem Radu von seinem Heimatplaneten sprach, verriet Laenea, daß er ihn als sein Zuhause ansah, zu dem er früher oder später für immer zurückkehren würde, und nicht als einen Rastpunkt zwischen zwei Trips.
    Radu stand auf. Sein Stuhl scharrte über den Boden und kippte zur Seite. Laenea blickte überrascht auf. Radus Gesicht lief rot an, er bückte sich, hob den Stuhl auf und stellte ihn geräuschlos wieder auf die Beine. „Ich kann hier unten nicht denken“, sagte er. „Ich gehe an Deck. Ich brauche frische Luft, den freien Himmel.“ Er wandte den Kopf und sah sie
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