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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vielleicht sogar darüber hinaus. Das war so ungefähr das Letzte gewesen, was er sich für diesen Abend gewünscht hätte – einen knietief überfluteten Gewölbekeller, der vermutlich mit dem Gerümpel eines halben Jahrhunderts voll gestopft war, nach einem hysterischen Kind abzusuchen, das so ziemlich alles wollte, nur eines nicht: gefunden werden.
    »Bist du da unten, Junge?«, rief er noch einmal. »Du brauchst keine Angst zu haben. Ich tu dir nichts.«
    Er bekam auch diesmal keine Antwort, aber nach einer Weile war er sicher, Geräusche aus der Tiefe zu hören, und ging weiter. Seine Augen hatten sich mittlerweile an das Dämmerlicht hier unten gewöhnt, so dass er seine Umgebung wenigstens schemenhaft erkennen konnte, dennoch war der Abstieg nicht ungefährlich. Die Treppenstufen, die aus denselben, schon halb im Zerbröckeln begriffenen Feldbrandsteinen bestanden wie die Wände, waren leicht abschüssig und mit einer dünnen Schicht aus irgendeiner schwarzen Schmiere bedeckt, wahrscheinlich einer Mischung aus Löschwasser, Ruß und zweihundert Jahre altem Dreck, der von den Wänden heruntergewaschen worden war. Er setzte den Fuß jedes Mal sorgsam auf, suchte nach festem Halt, bevor er die nächste Stufe in Angriff nahm, und ließ zusätzlich die rechte Hand an der Wand entlangschleifen. Der Keller stand zwar nicht knietief unter Wasser, wie er befürchtet hatte, aber es reichte ihm immerhin bis über die Knöchel, und es war eiskalt. »He, Kleiner!«, rief er. »Ich weiß, dass du hier bist! Ich will dir doch nur helfen!«
    Irgendwo vor ihm platschte etwas. Vielleicht Schritte, vielleicht auch nur ein Stein, der sich von der baufälligen Decke gelöst hatte . Will sah nach oben. Ganz wie er vermutet hatte, war ein Teil der Decke eingestürzt, als die unvorstellbare Hitze des Feuers den Mörtel zwischen den Steinen zu Asche verbrannt hatte. Das Licht reichte nicht nur aus, um den ganzen, erstaunlich hohen und ebenso verblüffend weitläufigen Gewölbekeller zu überblicken, sondern auch, um ihm zu zeigen, dass es mindestens drei Türen gab, die tiefer in dieses unterirdische Labyrinth hineinführten. Seine Laune sank weiter, und in seine Panik mischte sich ein immer größer werdender Anteil von Ärger. Verdammtes Balg! Das Platschen wiederholte sich, und Will war sich sicher, dass es nicht nur ein weiterer Stein war, der sich vom Rand des gezackten Lochs in der Decke gelöst hatte. Der Junge war hier irgendwo!
    »Also gut, dann spielen wir eben ein Spielchen! Aber es ist vollkommen unnötig, weißt du? Ich bin dir nicht böse!«
    Langsam setzte er sich in Bewegung. Das Platschen war irgendwo auf der anderen Seite des Kellers ertönt, was wohl bedeutete, dass der Junge in einem der anderen Räume war.
    Während Will vorsichtig durch das eisige Wasser schlurfte und die kalten Schauer zu unterdrücken versuchte, die ihm in immer schnellerer Folge das Rückgrat hinabliefen, sah er sich aufmerksam in dem großen, halbdunklen Raum um. Das Licht reichte nicht aus, um alle Einzelheiten zu erkennen, aber das Schicksal hatte zumindest nicht alle Arschkarten ausgespielt. Noch nicht. Der Keller war fast leer. Hier und da ragte ein verschwommener Umriss aus dem Wasser, ein altes Möbelstück, ein Schatten, eine Kiste, ein leerer Schrankkoffer mit offen stehender Tür … kantige Dinge mit Konturen, die zu hart und zu unbeweglich waren, um zu etwas Lebendigem zu gehören. Dennoch blieb er ein paar Mal stehen, um den einen oder anderen Schatten genauer in Augenschein zu nehmen.
    »Das wird langweilig«, rief er. »Ich finde dich sowieso. Also, warum hörst du nicht mit dem Unsinn auf und kommst heraus? Ich bin dir nicht böse. Ich weiß, dass du nichts dafür kannst.«
    Und damit kam er der Wahrheit verdammt nahe. Wenn irgendjemand etwas für die Scheiße konnte, in der er bis zum Hals steckte, dann er selbst. Er hatte wieder einmal auf die Stimme gehört, an deren Argumenten es auch diesmal nichts zu rütteln gab, zumindest nicht auf den ersten Blick: Wenn er sich schon ans Steuer eines Wagens setzte, dessen Papiere nicht ganz koscher waren (schmeichelhaft ausgedrückt), dann war es ganz eindeutig cleverer, nicht mitten durch die Stadt zu fahren, wo die Gefahr größer war, in eine dieser verdammten Routine-Verkehrskontrollen zu geraten, die sie in letzter Zeit wieder eingeführt hatten (zur Hölle mit diesen verfluchten Moslems! Wenn es nach ihm ging, dann konnten sie auf der ganzen Welt Hochhäuser in die Luft sprengen
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