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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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diesen Zweck auch kläglich verfehlte. Ganz bewusst dachte er: Er saß seiner eigenen Fantasie auf, die mittlerweile wirklich alle Register zog, um ihn fertig zu machen, und er würde den Teufel tun und jetzt auch noch anfangen, an Gespenster zu glauben.
    »Der Spaß ist jetzt zu Ende«, sagte er, während er sich umdrehte und dabei ein gutes Stück von der Wand wegtrat. »Du kommst jetzt freiwillig raus oder du kriegst mächtigen Ärger, mein Freund. Ich will dir ja helfen, aber ich habe meine Zeit nicht gestohlen.«
    Vielleicht funktionierte es ja. Wenn man mit gutem Zureden nicht mehr weiterkam, dann half bei Kindern manchmal ein scharfer Ton, jedenfalls war das in seiner Jugendzeit so gewesen.
    Heute offensichtlich nicht mehr. Er bekam keine Antwort, aber nach einer Weile hörte er wieder dieses sonderbare raschelnde Schleifen, und jetzt konnte er die Richtung ausmachen, aus der es kam. Er glaubte sogar, eine Bewegung zu erkennen, war aber nicht ganz sicher.
    Gutes Zureden hatte jetzt vermutlich keinen Sinn mehr, und ihm blieb auch keine Zeit mehr dafür. Der Junge war hier drinnen, und er würde ihn finden. Will warf einen letzten, sichernden Blick in Richtung der Tür, die er so sorgsam verschlossen hatte, und bewegte sich dann langsam tiefer in den Raum hinein. Seine Augen hatten sich mittlerweile so gut an das blasse Zwielicht gewöhnt, dass es immerhin ausreichend war, um zu sehen. Es gab eine Anzahl Kisten, Kartons und hüfthohe Stapel, die einfach nur aus Krempel bestanden, aber einen Gutteil des vorhandenen Platzes nahm eine überdimensionale Heizungsanlage ein, uralt und klobig, und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit hockte der Kleine dahinter, beobachtete ihn und hoffte, dass er einfach nur lange genug stillhalten musste, damit er wieder ging.
    Will bewegte sich langsam weiter, blieb stehen, um zu lauschen, und wurde mit einem neuerlichen Rascheln belohnt; ganz eindeutig das Geräusch von Kleidung, die über Stein oder auch Metall strich. Irgendwo rechts von ihm. Mit einiger Mühe widerstand er der Versuchung, einfach loszustürmen, änderte aber ein wenig seine Richtung, um dem Jungen den Weg abzuschneiden, sollte der ihn beobachten und nur darauf warten, auf der anderen Seite hinter dem Heizkessel hervorzustürmen, kaum dass er um die Ecke bog. Will tat ihm den Gefallen, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern machte mitten im Schritt kehrt und wurde mit dem Anblick eines Schattens belohnt, der ebenso hastig wie er zurückprallte und wieder in Deckung sprang. Etwas polterte.
    »Also gut«, knurrte er. »Ich hab dich gesehen. Also tu uns doch bitte beiden einen Gefallen und komm endlich raus. Ich krieg dich doch sowieso.«
    Natürlich bekam er keine Antwort, aber der Kleine war jetzt offensichtlich in Panik und gab sich keine Mühe mehr, leise zu sein. Will hörte ihn deutlich auf der anderen Seite des Heizkessels herumpoltern, dann gerieten seine Schritte aus dem Takt, und er hörte einen dumpfen Aufschlag, gefolgt von einem ebenso mühsam wie erfolglos unterdrückten Wimmern. Will beschleunigte seine Schritte, duckte sich unter einem mit Isolierschaum umwickelten Rohr hindurch und entdeckte den Jungen nicht nur genau dort, wo, sondern auch genau so, wie er ihn vermutet hatte: Er kauerte auf der anderen Seite des monströsen Heizkessels auf den Knien und hielt sich mit beiden Händen das Gesicht, auf das er gefallen sein musste. Zwischen seinen Fingern quollen hellrote Tropfen hervor. Er hatte sich tatsächlich die Nase blutig geschlagen. Schmerzhaft, aber selbst schuld.
    »So, jetzt hab ich dich«, knurrte Will. »Jetzt ist Schluss mit lustig!«
    Er machte einen raschen Schritt, beugte sich gleichzeitig vor und streckte den Arm aus, um den Jungen am Kragen zu packen, aber er hatte den Knirps trotz allem unterschätzt. Blutige Nase oder nicht – er sprang blitzschnell auf die Füße, tauchte unter Wills zupackender Hand weg und war im nächsten Augenblick in dem Gewirr von Rohrleitungen und Schläuchen hinter dem Heizkessel verschwunden. Will setzte ihm fluchend nach, übersah aber ein weiteres, unterarmdickes Rohr (das diesmal selbstverständlich nicht mit Schaumstoff umwickelt war) und knallte mit voller Wucht dagegen. Es war nicht so schlimm, wie es hätte sein können, aber er sah für ein paar Augenblicke buchstäblich Sterne. Und als sich das bunte Flimmern vor seinen Augen lichtete, war der Junge nicht mehr da. Will konnte seine Schritte irgendwo auf der anderen Seite des Kessels
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