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Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Titel: Feuchtgebiete: Roman (German Edition)
Autoren: Charlotte Roche
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mich ab und tupfe mich trocken. Robin hatte recht. Geht viel besser als das Abwischen mit Klopapier. Was der alles weiß. Wir passen gut zusammen.
    Ich gehe zurück zum Bett und bleibe davor stehen.
    Ich muss was machen. Unbedingt. Egal was. Hauptsache, ich denke nicht an meine Eltern und meine Arschschmerzen. Meine Hände zittern. Ich bin sehr angespannt. Ich wische mir kalten Schweiß von der Stirn. Ich finde kalten Schweiß gruselig. Kenne ich sonst nur von kurz bevor man umkippt. Der kleine Tod. Sagt man das nicht auch zum Orgasmus des Mannes? Oder war das bei Tieren? Aber bei welchen genau? Ich kann nicht klar denken. Keine schöne Erfahrung. Hier. Alles. Ich klettere wieder in mein Bett. Alle meine kleinen Studentenfuttergebilde schütte ich wieder aus der Tüte raus in meinen Schoß. Ich drehe mich so weit um, dass ich bis an die hinterste Ecke meines Metallnachtschranks reichen kann. Vorsichtig hebe ich den kleinen Aluminiumdeckel mit meinen Tränen drin auf und
balanciere ihn behutsam über die ganze Ablagefläche. Ich stelle ihn an den äußersten Rand, damit ich gut drankomme, und tunke meine Zeigefingerspitze in das Salzwasser. Einen Tropfen lasse ich von meinem Finger in den Schlitz jeder bearbeiteten Traube fallen. Ich arbeite so genau, als wäre mein Finger eine Pipette. Ich muss sparsam mit meinen Tränen sein, damit sie für alle Trauben reichen. Ich weiß schon, wem ich die anbieten werde. Viele Minuten schaffe ich es, mich dank dieser langwierigen Aufgabe nicht um meinen Schmerz zu kümmern. Als die letzte Traube betropft worden ist, kommen alle zurück in die Studentenfuttertüte.
    Sobald ich nichts mehr zu tun habe, drehe ich durch. An was denken, Helen, egal was! Von meinen Freunden, nee, sagen wir Klassenkameraden, weiß keiner, dass ich hier bin. Nur meine Eltern wissen das. Und mein Bruder. Das heißt, ich kann nur auf den Besuch meiner Eltern und meines Bruders warten.
    Und da kann ich ja lange warten. Ich wollte meinen Klassenkameraden nicht sagen, weswegen ich ins Krankenhaus muss. Ich finde die Vorstellung, von denen Besuch auf der Proktologischen Abteilung zu bekommen, nicht gut. Die denken alle, ich wäre mit einer Grippe zu Hause. Als ich – vor wie viel Tagen? – aus der Schule abgehauen bin, weil mein Arsch so wehtat, habe ich ihnen erzählt, dass sich bei mir eine Grippe anbahnt. Dass ich Gliederschmerzen hätte. Schönes Wort. Gliederschmerzen. Und dass ich nach Hause müsse. Besuch zu Hause brauche ich von denen nicht zu befürchten, sodass meine Lüge bestimmt nicht auffliegt. Die können nicht viel mit kranken Leuten anfangen. Sie gehen viel aus, feiern oder hängen im Park rum. Die trinken viel, also wir trinken viel und kiffen auch, und das kann man schlecht auf Krankenbesuch bei jemandem zu Hause, wenn die Eltern auch da sind. Zu jemandem nach Hause gehen wir nur, wenn die Eltern im Urlaub sind, sonst ist draußen der beste Ort für all unsere Hobbys. Meine Eltern freuen sich immer, dass ich so viel an der frischen Luft bin. Dabei kann von frischer Luft in den Lungen gar keine Rede sein.
    Robin kommt rein.
    Er hält ein Plastikschnapsglas mit zwei Tabletten drin in der Hand. Die Tabletten haben eine andere Form als sonst. Ich gehe davon aus, dass die Schwester von meinem Schmerz berichtet hat. Ich muss nicht fragen, was das ist. Ich halte die Hand auf, er platziert die beiden dicken Tabletten in meiner Handfläche, und ich schlage die Hand gegen den geöffneten Mund. Wie ich es im Film gesehen habe. Die Tabletten fliegen direkt gegen mein Zäpfchen, und ich muss fast brechen. Schnell Krankenhauswasser hinterher. Ich muss husten. Das Zäpfchen ist eine empfindliche Stelle.
    Es ist leider stark mit dem Kotzimpuls verbunden. Was beim Sex sehr stören kann. Da hat der liebe Gott sich keine Gedanken drüber gemacht, als er den Menschen gebaut hat. Wenn ich beim Sex einen Schwanz lutsche und will, dass er in meinen Mund kommt, muss ich höllisch aufpassen, dass er nicht mit seinem Sperma gegen mein Zäpfchen schießt. Dann muss ich nämlich sofort kotzen. Alles schon passiert, der Helen. Ich habe natürlich den Ehrgeiz, den Schwanz so tief wie möglich in meinem Rachenraum verschwinden zu lassen, macht optisch richtig was her. Da sehe ich aus wie eine Schwertschluckerin. Ich muss aber sehr auf mein Zäpfchen aufpassen. Das stört da sehr. Alles muss sich daneben abspielen.
    »Robin, hast du meine Eltern vor der Not-OP angerufen?«
    »Ach, habe ich in der ganzen Aufregung
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