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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind
Autoren: Patrycja Spychalski
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Aber zwei Mädchen steigen tatsächlich darauf ein und setzen sich an deren Tisch.
    »Hey ihr Ökos! So macht man das!«, brüllt der eine in unsere Richtung.
    »Vollidioten«, sagt Ruth, aber nicht so laut, dass sie es hören. Ich nicke, habe aber auch keine Lust auf einen Streit. Das sind die mit Sicherheit nicht wert. Solche Typen gibt es überall um einen herum. Zu Tausenden.
    »Die sollen mal abhauen, nach Vollidiotenhausen«, kichert sie in sich hinein, ganz erfreut über diese Vorstellung. Ruth mit ihren großen grünen Augen und dem roten Schimmer in Haar. Wahrscheinlich ist sie früher immer als Pippi Langstrumpf zum Fasching gegangen, ohne sich groß verkleiden zu müssen.
    Ich lächele ihr bestätigend zu. Vielleicht sollten wir mal zusammen um die Häuser ziehen. Das könnte nett werden, irgendwie scheint sie auch ein bisschen schräg. Und schräg ist gut.
    »Ich würde sie gar nicht beachten. Die sind nicht ganz dicht«, bemerkt Martin.
    »Kennst du die etwa?«, fragt Ruth.
    »Die sind hier aus der Gegend. Wir gehen zusammen zur Schule.« Martin schaut zu dem Tisch der Jungs und verzieht das Gesicht.
    »Hey, Martin! Was hängst du eigentlich mit diesen Losern rum? Bist du etwa auch einer?«
    »Ja, Maik, genau, ich bin auch einer!« Er schüttelt den Kopf.
    Die Jungs lachen und klopfen sich auf ihre Schenkel, als hätten sie weiß Gott was für einen guten Witz gerissen.
    »Warum verkaufst du nicht auch Würste? Das ist doch das Privileg der Einheimischen.« Ich schaue zwischen Martin und den Jungs hin und her. Aber eigentlich erklärt es sich von selbst. Wenn man nämlich Martin mit dem Rest der Jungs vergleicht, dann passt das nicht zusammen. Was genau es ist, kann ich nicht sagen. Die Kleidung vielleicht, die Frisur, aber es sind vor allem die Augen. Die von Martin sind ganz klar und offen. Die von den Jungs wirken stumpf, gelangweilt und irgendwie lüstern.
    »Ich bin Vegetarier. Deshalb verkaufe ich keine Wurst«, antwortet Martin.
    Auch das noch!
    Ein weiterer Außenseiterpunkt in der Bockwurstgemeinschaft.
    »Die sind schon ganz okay, einzeln für sich, unter vier Augen oder wenn sie was von einem brauchen. Aber in der Horde drehen sie auf. Das ist halt so.« Martin dreht ihnen den Rücken zu.
    »Dämliches Mackergehabe ist das. Du brauchst die nicht zu verteidigen«, meint Rocco und wirft noch einen bösen Blick zu ihrem Tisch.
    »Kriegt euch ein. Wir können uns doch nicht den ganzen Abend mit diesen Typen beschäftigen. Kennt nicht jemand einen Witz oder so?« Ruth schaut erwartungsvoll zu Martin und Rocco, aber die stopfen sich lieber ihre Münder mit Essen voll.
    Nachdem die Pizzateller leer sind, liegt uns das Essen im Magen. Wir sind alle müde von acht Stunden Arbeit an der frischen Luft. Eigentlich wollten wir mal zusammen ausgehen, aber jetzt ist niemandem mehr nach Feiern zumute, sondern eher nach einem kuscheligen Bett unterm Moskitonetz. Also verschieben wir den ursprünglich geplanten Dorfdiscobesuch auf einen der nächsten Tage.
    Dario winkt uns zum Abschied mit seinen mehligen Händen zu: »Ciao, ragazzi!« Er scheint keinen Feierabend zu haben. Immer wenn ich an der Pizzeria vorbeilaufe, sehe ich ihn vor dem Ofen stehen. Meistens lächelt er, nur ganz selten sieht man, dass er sich erschöpft mit der Hand über das Gesicht fährt.
    Wir schlendern noch ein bisschen die Fußgängerzone entlang, sind aber nicht mehr besonders gesprächig. Ich spüre, dass meine Wangen gerötet sind, und kann schon nicht mehr unterscheiden, ob es von der frischen Luft kommt oder ob es ein neuer Sonnenbrand ist. Glücklicherweise habe ich jetzt Martins Wunderöl.
    Zuerst verabschiedet sich Rocco mit wilden Handbewegungen, dann Ruth mit einem dezenten Winken und schließlich muss auch ich in die Straße einbiegen, wo das Haus von Frau Mertens steht.
    »Also dann, Martin und James … Mensch, ihr solltet mal eine Band gründen. Martin&James. Guter Name.« Ich hebe meine Hand zum Abschied und die Jungs lächeln.
    Und während James wieder auf sein iPhone schaut, um am Navi irgendwas umzustellen, bleibt Martin noch einen kurzen Moment stehen und sieht mich an – sieht mir auch noch nach, als ich schon davongehe, das kann ich ganz deutlich fühlen, traue mich aber nicht, mich noch einmal umzudrehen.
    Frau Mertens sitzt auf ihrer Veranda, in eine Decke gewickelt. Eine alte Gaslampe spendet Licht und zieht Motten und Mücken an.
    »So lange lässt euch dieser Chef ackern?« Sie schaut besorgt von ihrem Buch
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