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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind
Autoren: Patrycja Spychalski
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Das weißt du hoffentlich.« Rocco schüttelt den Kopf.
    Ja, es sind möglicherweise komische Gedanken. Ein bisschen düster vielleicht. Aber was kann ich schon dafür, wenn die plötzlich kommen? Den Gedankenausschaltknopf hat noch keiner erfunden, was eigentlich komisch ist, weil die Menschen schon so viel erfunden haben, und auch so viel Unnützes … wäre also durchaus mal Zeit für den Ausschaltknopf.
    »Komm, gehen wir zu Dario, vielleicht bringt dich das auf andere Gedanken.« Rocco reicht mir seine Hand und zieht mich mit einem übertriebenen Ächzen aus dem Moos, das so ein wunderbares Kissen abgegeben hat. »Vielleicht werden wir auch gar nicht sterben!«, prahlt Rocco. »Bis dahin, ich meine, bis wir alt sind, kann noch einiges passieren. Die Wissenschaft macht unglaubliche Fortschritte!«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Ist mir egal! Ehrlich. Ich lass das alles ganz entspannt auf mich zukommen.« Rocco macht mit der Hand eine geschmeidige Wellenbewegung.
    Verrückter Junge, denke ich mir, und mag ihn trotzdem noch mehr als zuvor.
    Bei Dario sitzen sie schon alle auf der Terrasse. Ruth, Martin und James und ein paar von den Bockwurstjungs, doch die sitzen an einem anderen Tisch. Gott sei Dank!
    Trotzdem hält sie das nicht davon ab, über die Tische zu grölen: »Ajajaj, was sehe ich da, ein verliebtes Ehepaar.«
    »Gott, wie alt seid ihr? Acht?« Rocco schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und hüpft dann in James-Dean-Manier über die Rücklehne der Bank auf den Sitz. Die Bockwurstjungs glotzen und rollen mit den Augen und geben irgendwelche ekligen Laute von sich.
    Ich bestelle am Ausgabefenster eine große Pizza Hawaii und eine Flasche Cola mit zwei Gläsern für Rocco und mich. Die anderen sind schon versorgt. Dario schüttelt verzweifelt den Kopf, wobei seine supergegelten, glänzenden Haare keinen Millimeter nachgeben. Er kann nicht verstehen, wie man sich ernsthaft Ananas auf die Pizza wünschen kann, aber ich glaube, er hat mittlerweile resigniert. Ich strecke ihm den Daumen entgegen, als Zeichen meiner großen Dankbarkeit, dass er mir trotzdem und gegen seine Überzeugung Ananasscheiben auf die Pizza legt, und er zwinkert mir zu.
    Als ich an den Tisch komme, lächelt Ruth mir zu, so ein Lächeln, als wären wir beide Verbündete. Und irgendwie sind wir es ja auch, als einzige Mädchen in diesem Jungshaufen.
    Ich setze mich auf den freien Platz zwische Martin und James. James schaut kurz von seinem iPhone auf, hebt die Hand und grüßt mit einem knappen »Hi«, um sich sofort wieder seinem Display zuzuwenden. Ich nehme es nicht persönlich. James ist supernett, er spricht einfach nur selten, aber wenn, dann bringt er die Sachen meist auf den Punkt. Ich glaube nicht, dass er desinteressiert ist, er scheint nur viele wichtige Aufgaben im World Wide Web zu haben.
    Martin rückt zu mir ran und holt ein kleines Fläschchen mit einer grünlichen Flüssigkeit aus dem Rucksack und reicht es mir. »Gegen deinen Sonnenbrand!« Er schaut mitleidig auf meine Schultern.
    »Danke«, murmele ich und öffne umständlich den Verschluss.
    »Hundertpro wirksam. Warte, ich helfe dir.« Martin nimmt mir mit einem Lächeln das Fläschen aus der Hand und gießt ein paar Tropfen auf meine Schultern. Sie fühlen sich kalt an wie kleine Eisperlen. Er verreibt sie ganz vorsichtig. Ich bin etwas verlegen, weil Martin mir vor allen anderen die Schultern massiert. Rocco zwinkert schon so blöd, aber irgendwie genieße ich es.
    »Riecht vielleicht ein bisschen merkwürdig, aber ich sage dir, morgen ist alles tipptopp.« Martin verschließt zufrieden die kleine Flasche und trocknet sich die Hände an einer Serviette ab.
    Ich lächle dankbar und spüre dabei noch immer seine warmen Hände auf meiner Haut.
    Dann kommt Dario mit der Pizza. Er bedient uns immer persönlich, weil er sagt, dass wir ja quasi Kollegen sind. Strandarbeiter. Dabei lässt er immer wieder coole italienische Sprüche ab, wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob er Italiener ist oder nur so tut, weil es zu einer guten Pizza dazugehört.
    Ich bin halb ausgehungert, als ich mir ein Stück Hawaii vom Teller schnappe und hineinbeiße. Während ich kaue, schaue ich mich selig am Tisch um. Ich bin total gerührt. Martin, Rocco, Ruth, James. Lauter liebe Leute um mich herum. Ich habe wirklich Glück gehabt.
    Es könnte perfekt sein, wenn die Bockwurstjungs nebenan nicht so nerven würden. Sie rufen blödes Zeug und pfeifen Mädchen hinterher. Ganz dämlich.
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