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Ferien mit Oma

Ferien mit Oma

Titel: Ferien mit Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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Bart gelungen war, zeigte er ihn Meister Pfeifer, und der bewunderte ihn sehr.
    Brigitte hatte eine schwierige Aufgabe erhalten. Vor ihr stand eine Reihe von Halbkugeln aus Glas, in denen winzige Landschaften aufgebaut waren, mit Bäumen, Rehen, Hasen und Fliegenpilzen. Wenn man die Kugeln schüttelte, schneite es langsam auf die Bäume, Rehe und Hasen. Es war wunderschön. Auf den Fuß dieser Gefäße mußte Brigitte mit , schwarzer Farbe „Beerwalde“ schreiben, denn sie sollten Andenken an den Luftkurort Beerwalde sein und dort verkauft werden.
    Der Meister selbst reinigte die beschmutzten Puppenköpfe und bemalte sie neu. Alle atmeten auf, als von der Schandtat nichts mehr zu sehen war. Jetzt plauderten Brigitte und Peter eifrig und fröhlich mit Herrn Pfeifer, nur Jan saß am äußersten Ende des Tisches, malte seine Dächer und blickte finster vor sich hin.
    Oma band eine Schürze vor, setzte sich an den Tisch und ließ sich vom Meister zeigen, wie man den Puppenköpfen Augen anmalt. Sie stellte sich sehr geschickt dabei an. Schließlich sagte der Meister: „Sie machen das viel besser als ich, fast so gut wie meine liebe Frau. Bei ihr bekommen die Puppen immer solch einen seelenvollen Blick.“
    „Sie sagten, Ihre Frau sei krank?“
    Der Meister nickte niedergeschlagen. „Gestern abend bekam sie plötzlich Leibschmerzen. Der Arzt kam und schickte sie gleich ins Krankenhaus. Er meinte, es wäre eine Blinddarmentzündung. Heute morgen ist sie wahrscheinlich operiert worden. Ich wüßte gern, wie es ihr geht, aber ich kann jetzt nicht weg. Ich muß unbedingt dieses Zeug hier fertigmachen, um es heute abend abzuliefern.“
    „Können Sie nicht telefonieren?“ fragte Oma.
    „Ich habe kein Telefon. Früher hatte ich mal eins, als ich noch Stubenmaler war. Da hab’ ich gut verdient. Aber vor zwei Jahren bin ich von der Leiter gefallen und hab’ mir das Bein gebrochen. Es war ein komplizierter Bruch. Ich habe ein ganzes Jahr im Krankenhaus gelegen. Das ganze Geld ist dabei draufgegangen. Laufen kann ich nicht mehr richtig und werde es nie mehr gut können, und auf eine Leiter klettern kann ich schon gar nicht. Deshalb habe ich die Heimarbeit von der Spielzeugfabrik angenommen. Meine Frau hilft mir dabei. Ich darf die Stelle auf keinen Fall verlieren.“
    Alle hatten die traurige Geschichte angehört. Jan schluckte ein paar Tränen hinunter. Der arme Mann! So viel Unglück hatte er gehabt, und nun hätten Jan und Peter beinahe verschuldet, daß er seine Stellung verlor. Jetzt hätte sich Jan gern entschuldigt. Aber wie? Er konnte doch nicht plötzlich aufstehen und vor allen andern zu dem Meister hingehen und sich entschuldigen. Auf einmal hatte er eine Idee. Er griff in seine Hosentasche und holte Berta, die Schildkröte, heraus. Mit roter Farbe malte er etwas auf ihren Rücken, setzte sie auf den Tisch und gab ihr einen kleinen Schubs. Sie wackelte langsam zu Brigitte. Brigitte las, lächelte erfreut und gab Berta einen Schubs in Richtung auf Oma. Oma schickte die Schildkröte zu Peter, und der schob sie sanft dem Meister zu. Der alte Mann setzte sich erstaunt die Brille fester auf die Nase und las, was auf dem Panzer der Schildkröte stand. „Verzeihung! Jan.“ Der Meister sah über den Tisch hinüber Jan eine Weile an, dann nickte er freundlich. Jan fiel ein Stein vom Herzen.
    Zum Mittagessen briet Oma die Pilze, die sie im Wald gesucht hatten. Kartoffeln und etwas Speck fand sie in der Küche. Es wurde eine köstliche Mahlzeit. „Fast wie bei meiner lieben Frau“, sagte der Meister und blickte ernst und nachdenklich vor sich hin. Dann sah er Oma an. „Sie haben mir sehr schön geholfen. Nun werde ich es auch allein bis zum Abend schaffen. Haben Sie vielen Dank!“
    „Ich denke, wir werden es jetzt allein schaffen“, sagte Oma. „Nicht wahr, Kinder? Der Meister kann seine Frau besuchen und sehen, wie es ihr geht.“ Obgleich die Kinder schon etwas müde waren, stimmten sie freudig zu. Der Meister mußte sich ein paar Tränen aus den Augen wischen. „Ich danke Ihnen“, sagte er. „Jetzt finde ich es wirklich ein Glück, daß Ihre Buben mir den Streich gespielt haben.“ Er holte sein Fahrrad aus dem Keller, schwang sich hinauf und fuhr eilig los. Oma und die Kinder pinselten und pinselten, Bärte und Augen und Buchstaben und Dächer, Rehe und Zipfelmützen. Manchmal seufzten sie ein bißchen, und manchmal gähnten sie ein bißchen. Aber um vier Uhr nachmittags war es geschafft, und alles konnte
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