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Ferien mit Oma

Ferien mit Oma

Titel: Ferien mit Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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Mützen und hatten verschmitzte Gesichter.
    Jan und Peter konnten nicht widerstehen. Sie mußten sich die Herrlichkeit näher ansehen. Mit einem Satz sprang Jan über den Zaun und half Peter hinüber. Jetzt entdeckten sie zwischen den Dahlien noch mehr Gartenzwerge, ein tönernes Reh und einen Frosch mit einer goldenen Krone auf dem Kopf. Während Jan untersuchte, wie die kleine Wassermühle funktionierte, schlenderte Peter um das Haus. Plötzlich blieb er erschrocken stehen. Sechs Augenpaare starrten ihn an, leuchtend blaue, braune und graue.
    „Jan“, rief er, „komm schnell her!“
    Als Jan um die Ecke kam, mußte er laut auflachen. Peter stand wie erstarrt vor einem Brett, auf dem sechs frisch bemalte Puppenköpfe zum Trocknen aufgestellt waren. Sie hatten noch keine Haare. Unter den nackten rosa Schädeln wirkten die Augen doppelt groß und starr.
    „Sehen sie nicht schrecklich aus?“ flüsterte Peter. „Na, du brauchst doch keine Angst zu haben“, lachte Jan. Er entdeckte neben dem Brett einen Topf mit brauner Farbe, tunkte einen danebenliegenden Pinsel hinein und malte der ersten Puppe eine hübsche Ponyfrisur. Jetzt sah sie nicht mehr furchterregend, sondern eher ein bißchen albern aus. Peter kicherte. Jan packte künstlerischer Eifer. Er malte der nächsten Puppe Zöpfe über die Wangen und der dritten einen Mittelscheitel.
    „Laß mich auch mal!“ rief Peter. Dann malte er der vierten Puppe einen schönen breiten Schnurrbart auf die Oberlippe. Jan und Peter lachten so sehr, daß ihnen die Tränen in die Augen traten und sie sich die Bäuche hielten.
    Doch plötzlich ertönte in ihr Lachen hinein ein Grollen wie das entfernte Brüllen eines Löwen. Sie schwiegen erschrocken. Ein Mann schoß um die Ecke. Er war klein und dick. Ein weißer, mit Farbe beschmierter Kittel flatterte um ihn herum. Auf seinem runden Kopf trug er ein bunt besticktes Käppchen. Mit seinem spitzen Bart hätte er selber fast wie ein Gartenzwerg ausgesehen, wenn er nicht so furchtbar böse gewesen wäre.
    „Was macht ihr in meinem Garten?“ schrie er, und als er die verzierten Puppenköpfe sah, brüllte er nun wirklich wie ein Löwe.
    „Lauf“, rief Jan Peter zu, „schnell!“ Behende sprang er davon, stieß im Garten in paar Zwerge um, hüpfte über den Bach und war mit einem Satz über den Zaun. Peter folgte ihm und lief, so schnell er konnte. Wahrscheinlich wäre er auch entkommen, weil der alte Mann hinkte, aber er stolperte über das Tonreh, geriet mit einem Fuß in den Bach und fiel lang hin. Wasser spritzte, und schon war der Alte über ihm, packte ihn am Arm und riß ihn hoch.
    „Jan“, rief Peter kläglich, „hilf mir, Jan!“ Jan hatte von der anderen Seite der Straße her entsetzt zugesehen.
    Der Alte schüttelte Peter, daß ihm Hören und Sehen verging.
    „Lassen Sie meinen Bruder los!“ rief Jan vom Waldrand herüber. „Sie dürfen ihm nichts tun!“
    „So, ich darf nicht?“ lachte der Mann höhnisch. „Ich werde aber! Ich werde ihn übers Knie legen und grün und blau schlagen.“
    Die letzten Worte gingen in Peters Gebrüll unter. „Jan“, schrie er, „Oma, Oma, Jan!“ Der Mann fing wieder an zu schütteln.
    „Lassen Sie ihn los!“ rief Jan und schluchzte nun auch. „Sonst hol ich meine Oma.“
    „Na, dann hol mal deine Oma“, sagte der Mann. „Ich werde ihr erzählen, was sie für böse Bengel als Enkel hat, die einem ehrlichen Mann sein Tagewerk zerstören.“ Er hatte aufgehört, Peter zu schütteln, hielt aber seinen Arm immer noch wie mit Eisen umspannt.
    Jan blieb ungewiß stehen, aber es war wohl wirklich besser, Oma zu holen. „Hab keine Angst“, rief er Peter zu. „Ich bin gleich wieder da.“ Und er verschwand zwischen den Bäumen.
    Peter schluchzte und wimmerte leise vor sich hin. Er wagte es nicht mehr, laut zu brüllen, weil der alte Mann ihn dann sofort wieder schüttelte.
    Es dauerte nicht lange, bis Jan, Oma und Brigitte am Waldrand erschienen. Auf Jans dramatische Schilderung hin waren sie auf dem schnellsten Wege herbeigeeilt. Ein Zopf Brigittes war aufgegangen; der Heidekrautkranz saß ihr schief auf dem Kopf. Auch Omas Frisur begann sich aufzulösen. Ihr Rock war voller Tannennadeln und Spinnweben. Aber trotz der Hast, mit der sie durch den Wald geeilt war, hatte sie keine Pilze aus ihrem Korb verloren.
    Als sie über die Straße gingen, glättete Oma mit der Hand ihr Haar und strich sich die Tannennadeln vom Rock. Mit energischem Schritt betrat sie durch die Pforte
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