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Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Titel: Ferien mit Mama und andere Katastrophen
Autoren: Petra Kasch
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ihr Kreuzworträtsel aus der Strandtasche zog und zu rätseln anfing, verschlug es den Alten die Sprache.
    »Schatz«, sagte Mama laut zu mir. »Hast du dir schon etwas zu trinken bestellt?«
    Sie winkte dem Barkeeper zu. »Zweimal Orange, und bitte mit Eis!«
    Da flippten die beiden Alten fast aus. »Wir werden uns beschweren, jawohl!«
    »Machen Sie das, aber dann sind die beiden freien Liegen dort drüben weg!«
    Der Alte schluckte, dann packte er seine Frau und seine schwere Strandtasche und stapfte hinüber. Allmählich zerstreute sich auch die Belagerung. Als der Barkeeper mit unserem Saft kam, stießen wir erleichtert an.
    »Heute machen wir es uns richtig schön, Sophie. Nur wir beide«, sagte Mama.
    Das hörte sich doch mal richtig gut an. Sonne, Strand und Meer – mehr wollte ich doch gar nicht. Ich zog meine Liege unter dem Schirm hervor und legte mich in die Sonne. Doch mein Bräunungsversuch dauerte gerade mal zehn Minuten, dann kochten meine Haare und mein Verstand auch. Also wanderte ich samt Liege wieder unter den schattigen Schirm.
    Und nun? Mama knobelte an ihren Kreuzworträtseln. Aber was machte ich? Bücher finde ich sterbenslangweilig, Rätsel erst recht. Früher, wenn Mama mich auf den Bahnhof mitnehmen musste, weil sie keinen Babysitter für mich gefunden hatte, hockte ich stundenlang am Kellnertisch und kritzelte Gesichter auf Bierdeckel. Daheim habe ich schon eine riesige Sammlung von Bahnhofsgesichtern.
    Nach dem dritten Stöhnen holte Mama meinen Skizzenblock aus ihrer Strandtasche. Mit ein paar Strichen fing ich den Barkeeper ein. Grübchen, volle Lippen, hohe Stirn. Der Angebertyp auf der Luftmatratze drüben war auch nicht schlecht: blond mit Sommersprossen und einem breiten, frechen Mund, der sich wie ein Karpfenmaul beim Reden aufstülpte.
    Und dann fiel mir plötzlich der Stift aus der Hand: dunkel gewelltes Haar, tief liegende Augen und eine Traurigkeit, die durch nichts zu übertreffen war: Kubasch. Keine zehn Meter von uns entfernt ließ er sich mit seinem Handtuch in den Sand fallen. Sollte ich Mama warnen? Denn genau in dem Moment kam sie auf die glorreiche Idee, schwimmen zu gehen.
    »Willst du nicht mitkommen, Sophie?«, fragte sie.
    Ich schüttelte heftig den Kopf. Einer sollte vielleicht an Land bleiben, wenn hier gleich die Katastrophe losbrach. Lächelnd sah ich sie zum Wasser schlendern. Kubasch lag auf dem Rücken. Ich konnte nicht sehen, ob er schlief oder nur den Himmel anstarrte. Keine fünf Meter entfernt lief Mama an ihm vorbei. War sie denn blind? Sie winkte mir noch einmal zu, dann glitt sie ins Wasser.
    Ich kniete mich auf die Liege, um besser sehen zu können. Keine Ahnung, was ich mir mehr wünschte, dass die beiden zusammenstießen oder nicht. Ich mochte Kubasch, keine Frage, und seit er Nikos für mich als Bootsführer angeheuert hatte, noch mehr. Aber ob Mama ihn mochte, da war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher.
    Als sie endlich genug vom Schwimmen hatte, entstieg sie wie eine Königin dem Meer. Doch ihre stolze Erhabenheit hielt nicht lange an, denn genau in dem Moment setzte Kubasch sich auf. Abrupt blieb sie stehen, das heißt, ihre Füße blieben im Sand stehen, doch der Rest wankte wie unsere Bahnhofspappel, wenn ein ICE durchrast. Als Kubasch aufsprang, fiel ihr aber wohl wieder ein, dass man mit Füßen auch gehen kann. Und weg war sie!
    Als sie sich neben mir auf die Liege warf, fauchte sie: »Zum letzten Mal, Sophie, ich bin nicht in ihn verliebt! Und ich mag es überhaupt nicht, wenn man mich anlügt.«
    Okay, ich hatte es ja kapiert. Aber sie musste mich wirklich nicht gleich so anschreien.
    »Was hättest du denn sonst gemacht«, verteidigte ich mich. »Den ganzen Tag im Zimmer gehockt?«
    Ich sah, wie Kubasch wütend sein Handtuch schnappte und ohne einen weiteren Blick verschwand. Oh Mann, ich glaube, wir drehten alle ein wenig durch, weil in zwanzig Stunden unser Flieger nach Hause ging.
    »Zwanzig Stunden und achtzehn Minuten«, schniefte Mama. »Das hat doch alles keinen Sinn, Sophie, sich hier zu verlieben.«
    In Sachen Liebe war ich ja noch eine absolute Anfängerin. Doch mit Sinn hat das Ganze wohl nichts zu tun, eher mit Wahnsinn. So viel hatte ich schon begriffen. Und der kam grad mit einem wilden Bart und ziemlich langen Haaren über den Strand gelaufen und rief laut: »Pagotó! Lecker Eis! Pagotó!« Es gab nämlich noch jemanden, der bereits die Stunden zählte.
    »Kann ich eins!«, bettelte ich.
    Genervt reichte Mama mir ihr
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