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Ferien, Flirten & Flamingos

Ferien, Flirten & Flamingos

Titel: Ferien, Flirten & Flamingos
Autoren: Jochen Till
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antreffe.
    â€žWohnzimmer!“
    Ich gehe ins Wohnzimmer. Ach du Scheiße! Wie sieht’s denn hier aus? Einige unserer Möbel stehen auf dem Kopf oder liegen auf der Seite. Überall fliegt Werkzeug herum. Und aufgerissene Verpackungen. Und Schaumstofffetzen. Mein Vater kniet in einer Ecke auf dem Boden und fummelt fluchend an einer Steckdose herum.
    â€žWas soll das denn werden, wenn’s fertig ist?“, frage ich ihn. „Hast du unser Wohnzimmer für das Titelbild der Zeitschrift HÄSSLICHER WOHNEN angemeldet?“
    â€žNein“, stöhnt mein Vater. „Ich mache es nur kindersicher.“
    â€žAha“, sage ich. „Dir ist aber schon klar, dass es noch ein paar Monate dauert, bis der Zwerg krabbeln, geschweige denn laufen kann?“
    â€žJa, das weiß ich“, sagt mein Vater. „Aber sicher ist sicher. Da kann immer was passieren.“
    â€žDu meinst, jemand könnte den Zwerg aus Versehen an die Steckdose halten?“
    â€žHa, ha, sehr witzig“, knurrt mein Vater. „Und nenn ihn nicht immer Zwerg. Dein Bruder hat einen Namen.“
    Das stimmt allerdings. Mein vor knapp zwei Monaten auf die Welt gekommener Bruder hat einen Namen. Und zwar einen äußerst dämlichen. Er heißt Balthasar. Ich meine, ich habe grundsätzlich ja nichts gegen diesen Namen. Das ist schon okay, wenn jemand Balthasar heißt und fünfundachtzig Jahre alt ist. Es kann natürlich sein, dass es nur mir so geht, aber wenn ich an einen Balthasar denke, sehe ich automatisch einen alten Mann vor mir. Oder zumindest einen erwachsenen Mann. Balthasar ist ganz eindeutig ein Name für Erwachsene, nicht für Kinder. Das fängt ja schon damit an, dass man ihn nicht gescheit abkürzen kann. Wie soll ich ihn denn bitte schön nennen? Balta? Balti? Ball? Das hört sich ja wohl alles total beknackt an. Da nenne ich ihn doch lieber Zwerg.
    â€žNa endlich!“, stöhnt mein Vater und steht auf. „Die Steckdosen wären somit erledigt. Zumindest hier im Wohnzimmer.“
    â€žUnd wofür brauchst du mich dann?“, frage ich. „Und sag jetzt bloß nicht, ich soll an den Steckdosen lecken, um zu überprüfen, ob sie wirklich kindersicher sind.“
    â€žGute Idee“, sagt mein Vater grinsend. „Fang doch gleich mit der neben dem Fernseher an. Mit ordentlich viel Spucke, bitte.“
    â€žOkay“, sage ich ebenfalls grinsend. „Aber nur, wenn du dabei ganz fest meine Hand hältst.“
    Wir lachen beide kurz.
    â€žGut, Spaß beiseite“, sagt mein Vater schließlich. „Der Glastisch muss raus, der ist viel zu gefährlich mit seinen scharfen Kanten. Die Platte ist verdammt schwer, die schaffe ich nicht allein. Du musst mir helfen. Bis ich weiß, wie ich ihn entsorgen kann, stellen wir ihn erst mal unten in den Hobbykeller.“
    â€žAch was?“, sage ich verwundert. „Jetzt auf einmal kann dieser blöde Tisch doch weg? Als ich mir vor nicht allzu langer Zeit zum hundertsten Mal das Schienbein daran gestoßen habe, war das noch der schönste und wertvollste Tisch der Welt, der dieses Wohnzimmer nur über deine Leiche verlassen wird.“
    â€žDas ist doch was ganz anderes“, erwidert mein Vater. „Du bist schon groß, du kannst ruhig mal bluten. Aber was glaubst du, was Tamara mit mir macht, wenn Baby Balthasar sich an dem Ding auch nur den kleinen Finger schneidet? Dann bist du ruckzuck das Kind einer alleinerziehenden Witwe.“
    Da hat er allerdings Recht. Wenn der Zwerg sich tatsächlich an diesem Monstrum verletzen würde, wäre mein Vater danach garantiert einen Kopf kürzer. Wobei das so natürlich nicht ganz stimmt. Ich wäre dann nicht das Kind einer alleinerziehenden Witwe.
    Erstens sind Tamara und mein Vater gar nicht verheiratet – zumindest noch nicht. Und zweitens ist sie nicht meine Mutter. Meine Mutter ist vor über fünf Jahren gestorben, an Leukämie. Davon abgesehen könnte Tamara schon rein biologisch überhaupt nicht meine Mutter sein, denn dann hätte sie mich bereits mit sieben Jahren kriegen müssen. Sie ist nämlich erst zweiundzwanzig. Jawohl, mein Vater hat eine Freundin, die halb so alt ist wie er. Die beiden sind jetzt schon anderthalb Jahre zusammen. Am Anfang konnte ich Tamara nicht ausstehen. Aber seit sie mir in den letzten Winterferien aus der Patsche geholfen hat, ohne meinem Vater etwas davon zu
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