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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Autoren: Mike Carey
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anders in der Tasche hatte. Ich brachte das Handy des gleichen Kindes zum Schweben, während Peter und die Elite in der ersten Reihe aufstanden und in der vergeblichen Hoffnung, die unsichtbaren Drähte zu verwirren, die ich ihrer Meinung nach benutzte, mit den Armen ruderten. Ich zerschnitt sogar ein Kartenspiel mit einer Heckenschere und setzte es mit einer Karte obenauf, die Peter vorher ausgesucht und markiert hatte, wieder zusammen.
    Aber egal, was ich tat, ich rackerte völlig umsonst. Peter saß behäbig auf seinem Platz, hatte die Hände im Schoß gefaltet und starrte mich ständig mit einem Ausdruck glühenden Hasses an. Er hatte sein Urteil längst gefällt, und es lief darauf hinaus, dass man jede Menge Ansehen bei seinesgleichen einbüßte, wenn man von den Zauberkunststücken auf einer Kinderparty beeindruckt war. Selbst wenn für ihn dieses Risiko bestehen sollte, war es für seine ausgewählten Gäste absolut unakzeptabel. Sie beobachteten ihn, richteten sich nach seinen Reaktionen und bildeten einen Block von Stimmen, die ich nicht beeinflussen konnte.
    Sebastian war anscheinend der Einzige, der sich für die Darbietung an sich interessierte – oder vielleicht der Einzige, der so wenig zu verlieren hatte, dass er es sich leisten konnte, vom Geschehen mitgerissen zu werden, ohne auf seine Umgebung zu achten. Das brachte ihm dennoch Scherereien ein. Als ich den Kartentrick abschloss und Peter seine unversehrte Karo Acht zeigte, brach Sebastian, für einen kurzen Augenblick von dieser letzten Enthüllung überwältigt, in einen zaghaften Applaus aus.
    Er brach sofort ab, als er bemerkte, dass sich niemand anders daran beteiligte, aber er hatte sich bereits aus der Deckung gewagt – indem er vergessen hatte, was ansonsten als sinnvolle Taktik der Tarnung und des Selbstschutzes galt. Verärgert stieß Peter einen Ellbogen nach hinten, und ich hörte ein unterdrücktes, pfeifendes Ausatmen Sebastians, als er plötzlich nach vorn einknickte und sich den Bauch hielt. Sein Kopf blieb für einige Sekunden unten, und als er sich aufrichtete, geschah es nur zögernd. »Idiot«, schnaubte Peter leise. »Er hat zwei Kartenspiele benutzt. Das ist noch nicht mal einfallsreich.«
    Ich las aus diesem Zwischenspiel eine Menge heraus: eine lange Chronik beiläufiger Grausamkeiten und emotionaler Unterdrückung. Man hätte meinen können, das mäße einem Rippenstoß mit dem Ellbogen möglicherweise ein wenig zu viel Gewicht bei – aber ich war selbst ein jüngerer Bruder, daher war mir diese Praxis nicht fremd, und außerdem wusste ich über das Geburtstagskind etwas mehr als jeder andere im Publikum.
    Ich unterzog mich einer mentalen Musterung. Ja. Ich ließ zu, dass ich mich ärgerte, und das war schlecht. Ich musste noch immer zwanzig Minuten bis zur Pause und zum kalten Bier in der Küche überbrücken, und ich hatte einen todsicheren Abräumer in petto, den ich eigentlich fürs Finale hatte aufsparen wollen, aber egal. Man lebt nur einmal, wie die Leute angesichts solcher Evidenz zu sagen pflegten.
    Ich streckte die Arme, straffte die Schultern, zupfte an meinen Manschetten – ein pantomimisches Vorbereitungsritual, das Sebastian aus der Not helfen sollte. Es funktionierte einigermaßen. Aller Augen richteten sich auf mich. »Schaut genau hin«, sagte ich, holte eine neue Requisite aus einem der Koffer und legte sie vor mir auf den Klapptisch. »Ein gewöhnlicher Cornflakeskarton. Isst jemand von euch diesen Kram? Ich auch nicht. Ich hab’s einmal versucht, aber da hat mich fast ein Comic-Tiger zerfleischt.« Kein Hoffnungsschimmer: kein Anflug eines Ausdrucks von Barmherzigkeit in den rund vierzig Augen, die mir zuschauten.
    »An dem Karton ist nichts Besonderes. Keine Falltüren. Kein doppelter Boden.« Ich drehte ihn in alle Richtungen, schnippte mit dem Daumennagel dagegen, um einen hohlen Ton zu erzeugen, und hielt Peter das offene Ende unter die Nase, damit er hineinschauen konnte. Er verdrehte die Augen, als könnte er nicht fassen, dass ich ihn aufforderte, sich an diesem Unfug aktiv zu beteiligen, dann gab er mir mit einem Winken zu verstehen, er habe zur Kenntnis genommen, dass der Karton leer war.
    »Ja, was auch immer«, sagte er mit einem wegwerfenden Schnauben. Seine Freunde lachten. Er war so beliebt, dass er stets mit einem kollektiven Echo rechnen konnte, wann immer er etwas sagte, spöttisch kicherte oder mit dem Mund Furzgeräusche erzeugte. Er hatte das gewisse Etwas. In vier oder fünf
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