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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Autoren: Mike Carey
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sie anzugrabbeln. Sie schlug meine rechte Hand weg, lenkte meine linke auf die Türklinke und gab mir einen Gutenachtkuss auf die Wange, ohne aus dem Tritt zu kommen.
    Ich war unendlich dankbar, als ich am nächsten Morgen aufwachte und meine Zunge am Gaumen klebte und mein Kopf voll nutzloser Watte war. Die süße, ungehemmte, neunzehnjährige Pen mit ihrem herbstfeuerfarbenen Haar, ihren pistaziengrünen Augen und ihrem wahrscheinlich verbotenen Lächeln – die wäre sicherlich was gewesen. Jedoch die um die dreißig Jahre alte Erdmutter Pen in ihrer Hexenhöhle, bedient von Ratten, Raben und Gott weiß welchen anderen vertrauten Geistern, die immer noch auf ihren Prinzen wartete, obgleich sie genau wusste, wo er sich befand und in was er sich verwandelt hatte … aber das war Schnee von gestern. Schwamm drüber.
    Dann erinnerte ich mich, dass ich zugesagt hatte, bei dem Kindergeburtstag aufzutauchen, kurz bevor ich ihr an die Wäsche gehen wollte, und ich fluchte wie ein Schauermann. Spiel, Satz und Sieg für Pen und Herrn Janneau. Ich hatte noch nicht mal gewusst, dass wir Kniffel gespielt hatten.
    *
    Das war also ein Grund, wenn auch kein guter oder ausreichender, weshalb ich vor diesen arroganten kleinen Scheißern herumhampelte und meine gottgegebenen Talente für die jämmerliche Summe von zweihundert Pfund verschleuderte. Es gab einen Grund, weshalb ich mich hatte verführen lassen, und es gab einen Grund, weshalb ich abstürzte.
    »Nun«, sagte ich mit einem Grinsen, so breit wie ein Halloween-Kürbis, »kommt mein letzter, anspruchsvollster Trick, ehe ihr rausgeht und euch die Mägen vollschlagt – ich brauche noch einen weiteren Freiwilligen aus dem Publikum.« Ich wies auf Sebastian. »Du da, in der zweiten Reihe. Wärst du so nett?« Sebastian hatte einen Hundeblick, ausnehmend widerwillig. Ins Scheinwerferlicht zu treten bedeutete eine sichere Blamage und möglicherweise noch Schlimmeres. Aber die älteren Jungs pfiffen und buhten, und Peter sagte ihm, er solle verdammt noch mal aufstehen und nach vorne gehen. Also erhob er sich und schlängelte sich durch die Reihe, wobei er mehrmals über ausgestreckte Füße stolperte, die man ihm in den Weg streckte.
    Was jetzt kam, war grausam, aber nicht für Stiefbruder Sebastian: Nein, mein ungeburtstagsmäßiges Geschenk für ihn war eine geladene Pistole, die er einsetzen konnte, wie er wollte, und für Peter … nun, manchmal war Grausamkeit nichts anderes als Nettigkeit in anderem Gewand. Manchmal war Schmerz der beste Lehrmeister, manchmal schadete es einem nicht, wenn man begreifen musste, dass es Grenzen bei den Dingen gab, mit denen man ungeschoren davonkam.
    Sebastian hatte es inzwischen auf meine Seite des Tapeziertischs geschafft und stand scheu neben mir. Ich griff nach der Autographic, löste die Haken auf beiden Seiten und fuhr den Balg in Arbeitsstellung aus. Mit ihrem roten Leder und dem dunklen Holzgehäuse bot die Kamera einen beeindruckenden Anblick. Als ich sie Sebastian in die Hand drückte, hielt er sie ganz behutsam fest.
    »Bitte sieh dir die Kamera genau an«, forderte ich ihn auf. »Vergewissere dich, dass sie in Ordnung ist. Voll betriebsbereit und vollständig intakt.« Er betrachtete sie flüchtig, ohne Enthusiasmus, nickte und wollte sie mir zurückgeben.
    Ich nahm sie nicht. »Tut mir leid«, sagte ich, »du bist jetzt mein Kameramann. Du musst deine Sache gut machen, denn ich zähle auf dich.«
    Er musterte sie nochmals, und diesmal sah er, was ihm geradezu ins Auge springen musste.
    »Nun – da ist schwarzes Klebeband«, sagte er. »Auf der Linse.«
    Ich tat, als wäre ich überrascht, und sah es mir selbst an. »Meine Herren«, sagte ich und ließ den Blick über die Köpfe der Partygäste schweifen. »Meine Damen.« Fünf Sekunden Pause voller johlendem Gelächter, Rippenstöße und spöttischer Bemerkungen. »Mein Gehilfe hat mich soeben auf etwas Beunruhigendes aufmerksam gemacht. Die Linse dieser Kamera ist mit schwarzem Abdeckband zugeklebt und kann daher keine Fotos machen …« Ich hielt für einige Sekunden inne. »… jedenfalls nicht auf die normale Art und Weise. Wir müssen daher versuchen, ein Geistfoto zu machen.«
    Peter und seine Freunde sahen mich gequält und hämisch an. Für sie klang es wie ein ziemlich lahmes Finale.
    »Geistfotos sind für jeden Magier eine schwierige Angelegenheit«, sagte ich mit tiefem Ernst und achtete nicht auf die höhnischen Bemerkungen. »Stellt euch einen
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