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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Autoren: Mike Carey
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fassungslos auf das Bild und schüttelte langsam den Kopf. Dann zerriss er es sehr sorgfältig erst in zwei, dann vier, dann acht Fetzen, während sein Gesicht puterrot anlief. Peter stieß ein leises Wimmern aus, gefangen zwischen Trauer und der Illusion, befreit zu sein, aber aus meiner Sicht sah es aus, als würde er noch für eine ganze Weile damit leben müssen.
    Dodson war inzwischen bei zweiunddreißig Teilen angelangt, als ich mich zu Sebastian umwandte und ihm feierlich die Hand schüttelte.
    »Du hast eine Gabe«, sagte ich. Er sah mir in die Augen, und ein Funke des Verständnisses sprang zwischen uns hin und her. Jetzt hatte er einen Trumpf in der Hand. Peter konnte in Zukunft seine Ellbogen, Fäuste und Füße nicht mehr so unbehelligt einsetzen: jetzt nicht mehr, nachdem alle seine Schuld und seine Schwäche gesehen hatten. Dafür berechnete ich keine zusätzliche Gebühr: Ich arbeitete stets zu einem Festpreis.
    Ich hatte den armseligen kleinen Geist um Peter herumscharwenzeln sehen, sobald ich den Raum betrat. Sie waren bei Tageslicht schwieriger auszumachen, aber ich hatte eine Menge Erfahrung sowie eine ausgeprägte natürliche Sensibilität und wusste, was ich in einem Haus zu erwarten habe, in dem niemand für frische Vogelbeerzweige sorgt. Ich wusste nicht, wie die Verbindung aussah, aber es musste einen verdammt guten Grund geben, weshalb Davey Simmons in diesem Haus herumgeisterte und nicht in seinem eigenen, es sei denn, er hatte überhaupt keine Familie. Er konnte nicht von Peter loskommen: Seine Seele hing an ihm fest wie ein Vogel in einem Dornengestrüpp. Man konnte das auf mannigfaltige Art deuten, aber Peters heftige Reaktion hatte einige Möglichkeiten ausgeklammert und die Wahrscheinlichkeit anderer deutlich erhöht.
    Jedenfalls ging es anschließend etwas drunter und drüber. Dodson brüllte mich an, ich solle meinen Kram packen und verschwinden, und faselte etwas von einer Anzeige, die folgen würde. Peter war aus dem Raum geflohen, verfolgt von Barbara, und hatte sich irgendwo in der oberen Etage verbarrikadiert, wie aus dem Gepolter und den Schreien zu entnehmen war, die ich hören konnte. Die Partygäste stolperten herum wie enthauptete Kalmare, eine Menge Gliedmaßen, kein Hirn und ein schwacher, verräterischer Geruch, und Sebastian starrte mich mit großen, ernsten Augen an und sagte kein Wort mehr, solange ich dort war.
    Als ich Dodson nach dem Geld fragte, das er mir für die Vorstellung schuldete, schlug er mir die Faust ins Gesicht. Ich steckte den Treffer ein: Kein Zahn war locker, und es floss nur wenig Blut. Wahrscheinlich hatte ich das verdient. Er wollte sich der Kamera bemächtigen, und ich wollte sie ebenfalls an mich bringen. Die Brownie und ich hatten eine lange gemeinsame Vergangenheit, und ich wollte nicht nach einer anderen Maschine mit derart sensiblen Schwingungen suchen. Wir kämpften für ein paar Sekunden darum, sie in die Finger zu bekommen, dann schien er sich daran zu erinnern, wo er war: in seinem eigenen Wohnzimmer, beobachtet von einer Schar der besten Freunde seines Sohnes, deren Väter er unzweifelhaft von seinem Arbeitsplatz oder aus dem Club kannte.
    »Verschwinden Sie!«, befahl er mir, die Augen immer noch zornglühend. »Verlassen Sie mein Haus, Sie verantwortungsloser Bastard, ehe ich Sie an Ihren Ohren hinausschleife!«
    Ich verzichtete auf das Geld. Es wäre gar nicht so einfach zu erklären gewesen, dass die Traumatisierung des Geburtstagskindes zu meinem Aufgabenbereich zählte. Ich packte unter James’ wütenden Blicken und keuchendem Atem mühevoll alles in die vier Koffer. Er litt unter einer Art anaphylaktischem Schock, hervorgerufen durch meine Anwesenheit, und wenn ich nicht schnellstens verschwand, würde er möglicherweise zusammenbrechen und verbrennen, während sich sein Immunsystem in dem Bemühen, die Reizung schnellstens zu beseitigen, selbst zerlegte.
    Draußen in der Diele entdeckte ich Barbara auf dem oberen Treppenabsatz. Ihr Gesicht war bleich und angespannt, aber ich schwöre, sie nickte mir zu. Mit vier Koffern bepackt konnte ich nicht zurückwinken – und es wäre wahrscheinlich ziemlich taktlos gewesen.
    *
    Es war mittlerweile etwa halb sieben, und die Novemberdunkelheit hatte eingesetzt. Pen wartete sicher schon in ihrem Keller auf mich, begierig auf harte Fakten und noch härtere Währung. Unter den gegebenen Umständen konnte ich ihr keins von beidem liefern.
    Es war drei Tage vor Neumond: Wie die meisten
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