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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Autoren: Mike Carey
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Entfesselungskünstler vor, der sich aus einem Postsack befreit, während er kopfunter an einem Haken in einem Käfig hängt, den ein Düsenflugzeug aus zwei Meilen Höhe abwirft. Dieser Trick ist so ähnlich. Rein visuell nicht spektakulär, aber genauso verrückt wie sinnlos.«
    Ich wies auf das Geburtstagskind. »Wir machen ein Foto von dir, Peter«, sagte ich. »Steh mal auf und stell dich da drüben vor die Wand! Vor einem monochromen Hintergrund klappt es am besten.«
    Peter gehorchte mit übertrieben resignierendem Achselzucken.
    »Hast du noch einen anderen Bruder?«, fragte ich Sebastian mit ernster, ruhiger Stimme.
    Er starrte mich alarmiert an. »Nein«, entgegnete er.
    »Oder einen Vetter oder so – jemanden in deinem Alter, der früher hier mit dir lebte.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Weißt du, wie man eine Kamera bedient?«
    Sebastian befand sich jetzt auf soliderem Terrain und schien erleichtert. »Ja, ich habe eine in meinem Zimmer. Aber da braucht man nur draufzuhalten und muss dann nur noch auf einen Knopf drücken, man braucht sie nicht … scharf zu stellen oder …«
    Ich verwarf den Einwand mit einem Kopfschütteln und lächelte aufmunternd. »Das macht nichts«, sagte ich. »Diese Kamera muss man mit der Hand scharf stellen, aber damit müssenen wir uns nicht aufhalten. Weil wir keine Linse und kein normales Licht brauchen, um ein Bild zu erzeugen. Aber worauf du drücken musst, ist das hier.« Ich gab ihm den kleinen Blasebalg am Ende eines Gummischlauchs. Er war das einzige Teil, das ich hatte ersetzen müssen. »Du drückst fest darauf, und der Verschluss öffnet sich. Aber erst, wenn ich es sage, ja?«
    Ich hatte seit über zehn Jahren keinen Film mehr in die Kamera eingelegt, aber alles, was ich brauchte, war im Koffer, und meine Hände wussten genau, was sie tun mussten. Ich schob eine neue Platte ein und löste eine Ecke der wachsbeschichteten Abdeckung, dann ließ ich die Platte einrasten und zog die Abdeckfolie mit einer schwungvollen Bewegung heraus. Ein Profi hätte so etwas nie getan, weil die Gefahr bestand, dass Licht ins Kamerainnere drang, wenn man sie in einem Raum mit normaler Beleuchtung lud – aber ich lud die Kamera mit Fotopapier statt mit einem Negativfilm. Wir sparten einen Teil des normalen fotografischen Prozesses aus. Auch das machte nichts. Aber ich merkte, während ich die Schrauben des Kameradeckels festzog, dass James und Barbara Dodson hereingekommen waren und hinten im Raum standen. Das bedeutete, dass der Knalleffekt noch etwas lauter werden würde, aber zu diesem Zeitpunkt ging mir das am Arsch vorbei: Ich war von Peter wirklich übelst angefressen.
    Ich brachte Sebastian in Position und lenkte ihn mit einer Hand auf seiner Schulter. Peter fing an, sich zu langweilen, und wurde unruhig, aber wir waren fast so weit. Ich hätte die Spannung noch steigern können, aber da das Ergebnis fraglich war, dachte ich, Probieren geht über Studieren. Entweder es klappte oder nicht. »Gut, auf die Plätze. Peter – lächeln! Guter Versuch, aber nein. Kinder in der ersten Reihe, zeigt Peter mal, was ein Lachen ist! Sebastian – drei, zwei, eins, jetzt!«
    Sebastian drückte den Ballon zusammen, und der Verschluss gab ein arthritisches Knirschen von sich. Gut, ich hatte schon halb befürchtet, es würde überhaupt nichts passieren.
    »Wir haben kein Fixativ«, verkündete ich, als meine Erinnerung Stück für Stück wieder einsetzte. »Daher wird sich das Bild nicht lange halten. Aber wir können es mit einem Stoppbad deutlicher machen. Zitronensaft reicht dafür oder Essig, wenn Sie …?« Ich blickte Hilfe suchend zu den beiden Erwachsenen, und Barbara verließ den Raum.
    »Was ist mit Entwicklerlösung?«, fragte James und sah mich mit ungeschminktem Argwohn an.
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir benutzen kein Licht«, sagte ich. »Wir knipsen die Geisterwelt, nicht die sichtbare, daher müssen wir den Film nicht entwickeln. Er muss das aufgenommene Bild umwandeln.«
    James’ Miene zeigte eindeutig, was er von dieser Erklärung hielt. Für Sekunden herrschte unbehagliches Schweigen, das unterbrochen wurde, als Barbara mit einer Flasche Weißweinessig, einer Plastikschüssel und einem verlegenen Lächeln hereinkam. »Das wird ziemlich stinken«, warnte sie mich, ehe sie wieder in den hinteren Teil des Raums zurückkehrte.
    Sie hatte recht. Der süßsaure Gestank des Essigs breitete sich aus, während ich die Flasche zu zwei Dritteln leerte, sodass der Essig den Boden
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