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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Autoren: Mike Carey
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Super.«
    »Wir wollten Sebastian zu seinem Vater schicken, aber der verdammte Kerl hat irgendwelche Probleme auf der Arbeit«, erklärte Dodson hinter mir. »Das wäre dann ein Kind mehr und noch ein paar zusätzliche Freunde …«
    »Sebastian?«, fragte ich. Fragen zu stellen war ein Reflex bei mir, egal ob ich Antworten hören wollte oder nicht: Das lag definitiv der Arbeit, die ich machte. Ich meine, die ich gewöhnlich machte. Die ich ab und zu machte. Auf die ich eigentlich gut verzichten konnte.
    »Peters Stiefbruder. Er stammt aus Barbaras voriger Ehe, so wie Peter aus meiner. Sie kommen ganz gut miteinander aus.«
    »Natürlich.« Ich nickte ernsthaft, als würde ich routinemäßig die Zuverlässigkeit des familiären Rückhalts meiner Auftraggeber überprüfen, ehe ich mit meinen Zaubertricks und den schrägen Slapsticknummern startete. Peter war das Geburtstagskind: Er war gerade vierzehn geworden. Wahrscheinlich schon zu alt für Clowns, Zauberkünstler und Eiskrem- und Tortenschlachten. Aber das war nicht mein Problem. Man engagierte auch Leute, die nichts anderes taten, als ständig bunte Bänder aus einer Dose mit gebackenen Bohnen zu ziehen.
    »Ich lasse Sie jetzt allein, damit Sie alles aufbauen können«, sagte Dodson ein wenig unsicher. »Bitte verschieben Sie keine Möbel, ohne mich oder Barbara vorher zu fragen, und wenn Sie irgendetwas aufs Parkett stellen, das Kratzer hinterlassen könnte, fragen Sie nach Schutzmatten.«
    »Danke«, sagte ich. »Ich trinke Bier, wenn Sie sich eins genehmigen sollten. Aber wenn es geht, kein helles.«
    Er ging bereits zur Tür, als ich das sagte, und reagierte nicht. Wahrscheinlich würde ich ihm ebenso wenig etwas zu trinken aus dem Kreuz leiern können wie einen Zungenkuss.
    Also fing ich an auszupacken, was durch die Tatsache erschwert wurde, dass diese Kisten während der letzten zehn Jahre kein einziges Mal aus Pens Garage gekommen waren. Zwischen dem Bühnenzauberkram befanden sich Dinge, die mich kurz – und auch länger – innehielten ließen. Ein Schweizer Offizierstaschenmesser – es hatte meinem Freund Rafi gehört –, dessen Spitze abgebrochen war; ein selbst gebastelter Fetisch, der aus einem mumifizierten Froschkadaver und drei rostigen Nägeln bestand; ein mit Federn geschmückter Snood, der ein wenig fadenscheinig aussah, dem jedoch immer noch ein schwacher Parfümduft anhaftete; und die Kamera.
    Scheiße! Die Kamera.
    Ich drehte sie in den Händen hin und her und tauchte sofort in einen intensiven Tagtraum ein. Es war eine Brownie Autographic No. 3, und zusammengeklappt erinnerte sie eher an die Butterbrotdose eines Schulkinds als an irgendetwas anderes. Doch sobald ich die Verriegelungen löste, sah ich, dass der rote Lederbalg noch immer an Ort und Stelle war; der mattierte Sucher war intakt, und – Wunder über Wunder – die handbetriebenen Stellrädchen, die die Optik in Arbeitsstellung brachten, funktionierten anscheinend noch immer. Ich hatte das Ding auf einem Flohmarkt in München aufgestöbert, als ich als Rucksacktourist durch Europa reiste. Es war fast hundert Jahre alt, und ich hatte etwa ein Pfund dafür bezahlt, was dem geforderten Preis entsprach, da die Linse in der Mitte einen Sprung hatte. Das war nicht von Bedeutung – nicht für das, was ich damals damit im Sinn hatte –, daher betrachtete ich es als Schnäppchen.
    Ich musste die Kamera jedoch beiseitelegen, da in diesem Moment eine sehr vollbusige, sehr blonde, sehr schöne Frau, die für jemanden wie James Dodson offensichtlich viel zu gut war, die ersten Partygäste hereinführte. Oder auch für jemanden wie mich, um fair zu sein. Sie trug eine weiße Bluse und darüber ein asymmetrisch geschnittenes Kakihemd, auf dem vermutlich an irgendeiner Stelle der Name des Designers verewigt war und das mehr kostete, als ich in einem halben Jahr verdiente. Trotzdem sah sie jedoch ein wenig verhärmt und müde aus. Das Leben mit James Superbulle hinterließ solche Spuren, vermutete ich, oder möglicherweise auch das Leben mit Peter, gesetzt den Fall, Peter war dieser mürrische Strahl trüben Sonnenscheins, der neben ihr hertrottete. Er hatte die Aura klotziger, aggressiver Kompaktheit seines Vaters, gepaart mit der misstrauischen Verstocktheit eines Halbwüchsigen: Es war irgendwie eine äußerst unattraktive Kombination.
    Die Dame stellte sich mit einer Stimme, in der genügend natürliche Wärme lag, um elektrische Heizdecken überflüssig zu machen, als Barbara vor. Sie
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