Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Autoren: Mike Carey
Vom Netzwerk:
Jahren würde er sich zu einem ausgewachsenen Mistkerl entwickelt haben.
    Es sei denn, er machte eines Morgens einen Spaziergang auf der Straße nach Damaskus und wurde von etwas Großem und Schnellem erwischt, das ihm entgegenkam.
    »Naaa gut«, sagte ich und schwenkte den Karton in einem weiten Bogen herum, sodass jeder ihn sehen konnte. »Ein leerer Karton. Wer braucht so was schon? Solche Kartons wandern auf die Mülldeponie.« Ich stellte ihn mit dem offenen Ende nach unten auf den Boden und trat ihn platt.
    Wenigstens erzielte ich ein paar große Augen und hier und da im Raum eine veränderte Körperhaltung – Kinder lehnten sich vor, und wenn auch nur, um zu überprüfen, wie total und überzeugend ich den Karton zerstörte. Ich war gründlich. Das musste man auch sein. Wie eine Domina sollte man wissen, dass eine direkte Beziehung zwischen dem Zerstampfen und Zertrampeln und der Intensität des finalen Effekts bestand.
    Als der Karton platt war, hob ich ihn auf und ließ ihn schlaff in meiner linken Hand flattern.
    »Aber ehe man so etwas wegwirft«, sagte ich und musterte die phlegmatischen Gesichter mit einem ernsten, schulmeisterlichen Blick, »muss man es auf Schadstoffe überprüfen. Will jemand das tun? Will jemand von euch, wenn er erwachsen ist, Umweltinspektor werden?«
    Eine betretene Stille senkte sich über den Raum, aber ich wartete ab. Das war Peters Entscheidung. Ich musste ihn nur unterhalten, nicht sein Prestige aufmotzen.
    Schließlich zuckte einer der Freunde aus der ersten Reihe die Achseln und stand auf. Ich trat zur Seite, um ihn auf meine Bühne zu lassen – grob gesagt, in den Bereich zwischen der Ledercouch und dem Geburtstagsbuffet.
    »Applaus für den Freiwilligen«, schlug ich vor. Sie hänselten ihn stattdessen herzlich: So lernt man seine Freunde kennen.
    Ich faltete den Karton mit ein paar geübten Griffen wieder in Form. Das war der entscheidende Teil der Nummer, daher blieb mein Gesicht so gelangweilt und fade wie die Schulspeisung. Der Freiwillige streckte die Hand nach dem Karton aus. Stattdessen ergriff ich die Hand und drehte die Handfläche nach oben. »Die andere auch«, sagte ich. »Forme einen Becher. Verstehst du ›Becher‹? So. Ja. Ausgezeichnet. Viel Glück, denn man weiß nie …«
    Ich drehte den Karton über seinen Händen um, und eine große braune Ratte klatschte in den Korb, den er mit den Fingern geformt hatte. Er gurgelte wie ein durchlöchertes Wasserbett und machte einen Satz rückwärts, wobei seine Hände krampfartig auseinanderflogen, aber ich hielt mich schon bereit und fing die Ratte auf, ehe sie auf den Boden fiel.
    Weil ich sie gut kannte, fügte ich dem Trick dann einen kleinen Bonus hinzu, indem ich mit dem Daumen über ihre Brustwarzen strich. Sie reagierte, indem sie einen Buckel machte und das Maul weit aufriss, sodass ich, als ich sie den anderen Kindern vor die Nase hielt, eine angemessene Anzahl von Schreckreaktionen erzeugte. Natürlich war das keine Drohgebärde – es bedeutete »Mehr, mein Junge, mehr davon!« –, aber man konnte nicht erwarten, dass sie in ihrem zarten Alter diese Gebärde richtig deuteten. Genauso wenig wussten sie, dass ich Rhona in den Karton bugsiert hatte, als ich so tat, als würde ich den Karton nach dem Zertrampeln wieder in Form bringen.
    Verbeugen und für den Applaus danken. Was sicher in Ordnung gewesen wäre, wenn es den gegeben hätte. Aber Peter saß immer noch da wie ein Ölgötze, während der Freiwillige auf seinen Platz zurückkehrte, sein bisher demonstrierter Machismo auf Halbmast.
    Peters Gesicht sagte, dass ich verdammt viel mehr bringen müsste, um ihn zu beeindrucken.
    Also dachte ich wieder an die Straße nach Damaskus, und da auch ich ein Mistkerl sein konnte, griff ich nach der Kamera.
    *
    Was ich da trieb, war nicht gerade meine Vorstellung davon, was ein erwachsener Mann tun sollte, um sich gerade so über Wasser zu halten, sollten Sie wissen: Es war Pen, die mich dazu gebracht hatte. Pamela Elisa Bruckner: Warum sich das Pen anstatt Pam abkürzte, hatte ich nie begriffen, aber sie war eine alte Freundin und zufälligerweise die rechtmäßige Eigentümerin Rhonas, der Ratte. Sie war außerdem meine Vermieterin, im Augenblick zumindest, und da ich dieses Schicksal nicht einmal einem tollwütigen Hund wünschte, konnte ich mich glücklich schätzen, dass es jemanden erwischt hatte, der mich aufrichtig mochte. Es ließ mich mit einer ganzen Menge Dinge ungestraft davonkommen.
    Ich sollte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher