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Felidae

Felidae

Titel: Felidae
Autoren: Akif Pirincci
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cooles Desinteresse beibehaltend.
    »Francis«, antwortete ich.

Zweites Kapitel
     
     
    Die nächste Woche verging in Trübsinn. Meine Umzugsdepression fiel mit der Wucht einer Dampfwalze über mich her und legte mein Hirn gänzlich lahm. Hinab tauchte ich in das finstere Tal des Kummers und des Schmerzes, und alles, was zu mir drang, mu ß te sich erst durch eine trübe Wolke aus Melancholie und Mutlosigkeit hindurchquälen. Was zu mir drang, gab allerdings wenig Anla ß zur Freude.
    Gustav machte seine Drohung wahr und begann tatsächlich mit den Renovierungsarbeiten. Wie von einem Zerstörungsdämon besessen, ri ß er zunächst einmal den verrotteten Parkettboden auf und beförderte dann den ganzen Schutt in den eigens dafür gemieteten Müllcontainer vor der Haustür. Er hatte sich allen Ernstes in den Kopf gesetzt, selber einen neuen Parkettboden zu verlegen. Ja, kein Witz! Das ist etwa so, als würde ein Taubstummer versuchen, im Fernsehen als Talkmaster unterzukommen. Um es kurz zu machen, er schaffte es nicht. Alles, was er zuwege brachte, war, dass er nach seinem Abriss-Husarenstück ein höllisch teures Do-it-yourself-Buch über Bodenverlegen erstand, in Anbetracht der Komplexität dieser Aufgabe Panik bekam und vorerst beschlo ß , fröhlich weiter Kahlschlagsanierung zu betreiben. Ich befürchtete schon, dieser Berserker würde in seinem Wahn noch das ganze Haus auseinandernehmen.
    Am Ende traf das ein, was ich ihm gleich bei unserer Ankunft hätte voraussagen können: Er mu ß te sich eingestehen, da ß er zu einer Renovierung solchen Ausmaßes nicht fähig war. Es war eine ärgerliche und, wie üblich bei Gustav, zugleich eine tragische Angelegenheit. In der Nacht hörte ich meinen im Geiste armen Freund in dem Feldbett, das er im Wohnzimmer provisorisch aufgebaut hatte, schluchzen.
    Auch mir war zum Weinen zumute, denn die Schockbegegnung mit dem ermordeten Artgenossen in der neuen Umgebung hatte nicht unbedingt dazu beigetragen, da ß ich mich schneller eingewöhnte. An diesem Tag hatte ich noch ein wenig weitergeforscht. Nachdem das Monstrum verschwunden war, ohne seinen verehrten Namen verraten zu haben, besah ich mir die Leiche und den Tatort etwas sorgfältiger.
    Eins stand fest: Es hatte kein großartiger Kampf stattgefunden. Das Opfer hatte sich zwar heftig zur Wehr gesetzt - die aufgewühlte Erde und einige geknickte Halme und Sträucher rings um den leblosen Körper bezeugten dies -, doch erst in dem Moment, als es ihm definitiv an den Pelz beziehungsweise an den Nacken gegangen war. Daher folgerte ich, da ß der Entschwundene seinen Schlachter gut gekannt haben mu ß te, so gut, da ß er diesem sogar sorglos den Rücken zugedreht hatte. Nach dem überraschenden Killerbiss hatte es eine verzweifelte Zappelei, vielleicht gar ein kleines Pfotengemenge gegeben, das dann binnen Sekunden in hilflosem Zucken geendet hatte.
    Und noch etwas fiel mir auf: Das Opfer hatte sich zum Zeitpunkt seines Todes in einem Zustand befunden, den der Dichter als »dem Ruf der Natur folgen« zu bezeichnen pflegt. Da er kein Mitglied im geselligen Club der glücklich Kastrierten gewesen war, was in Anbetracht dieses blitzblanken Mittelstandsidylls nahezu einem Wunder gleichkam, haftete ihm noch der Duft der großen, weiten Begierdenwelt an. Auch hatte er an einigen Stellen des Gartens aufdringliche Signaturen hinterlassen, die Zeugnis davon ablegten, da ß er kurz vor seiner Ermordung nicht mehr Herr seiner horizontalen Sinne gewesen war. Daraufhin untersuchte ich noch rasch seine Genitalien. Meine Vermutung bestätigte sich. Er hatte sich auf dem Gipfel seiner Rolligkeit befunden.
    Hatte er sich hier mit einer ihm zugetanen Schönen getroffen? War sie die letzte gewesen, die den Potenzbolzen noch lebend bewundern durfte, oder gar diejenige, die ihm den Todesku ß verpa ß t oder, wie das Monstrum sich in seiner schlichten Art ausdrückte, ihn in einen kalten Sack verwandelt hatte? Bei dem bescheuerten Gehabe und der unergründlichen Aggression, die unsere Goldmädels nach einem Schäferstündchen an den Tag legen, hätte mich das kaum gewundert 3 . Doch es war noch zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen, ehe man nicht mehr Details über die drei anderen Leichen wu ß te, die die verkrüppelte John-Wayne-Imitation großzügigerweise erwähnt hatte. Einen Tag später entdeckte auch Gustav den bereits tüchtig stinkenden Leichnam, gab allerhand infantile Trauerbekundungen von sich und bestattete ihn
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